So ist der Eröffnungsfilm "Django"
Berlinale: Warum der Eröffnungsspielfilm über Django Reinhardt so wunderbar zu diesem Festival passt
Stell dir vor, die Berlinale beginnt und der Festivalchef ist nicht da. Lässt auf sich warten. Erscheint am Abend zu spät im Berlinale Palast, der zentralen Premierenstätte des Festivals am Potsdamer Platz, kommt dann aber doch auf die Bühne und legt mit Moderatorin Anke Engelke einen Auftritt hin, der die versammelten Gäste verzaubert. Wäre das nicht wild, wäre das nicht einfach schön?
Von Dieter Kosslick ist man jedoch Pünktlichkeit gewöhnt. In Berlin sind keine Extravaganzen gefragt, sondern wohl temperierter Glamour. Keine Dissonanz soll stören, die Ouvertüre eines Festivals soll einen Wohlklang setzen. Dazu gehört ein Eröffnungsfilm, der unterhält, aber bitte mit Anspruch. Django Reinhardt ist genau die richtige historische Figur für diesen Berlinale-Start: ein Komponist und Musiker, der den Jazz revolutionierte und als Teil der verfolgten Sinti-Gemeinschaft einen Freiheitsdrang in sich trägt, der auch im Debütfilm von Etienne Comar zur Geltung kommt.
Ernst, Selbstgefälligkeit und Unberechenbarkeit
Nach einem kurzen, tödlichen Einstieg in den Wäldern der Ardennen, es ist 1943, sieht man das weitschweifige Auditorium eines Pariser Clubs. Und stell dir vor, der Star ist nicht da. Zuschauer und Band warten auf Django.
Der steht am Ufer der Seine, trinkt aus einem Flachmann, genießt die Sonne, hat eine Angelrute im Wasser, fängt sogar was, einen Wels. Schöne Schnurrbärte haben diese Fische, scherzt Django. Natürlich spielt er dann das Konzert doch noch, erweist sich als souveräner Menschenfischer, der die Leute trotz des „Swing-Tanzen verboten!“-Schilds im Saal mit seinem Gypsy Swing in Bewegung bringt.
Die Kamera blickt aus Djangos Perspektive auf dessen Gitarre: Nach einem Brandunfall kann er nur drei Finger der linken Hand bewegen, aber wie flink sie doch sind. Reda Kateb gibt dieser Legende eine gut dosierte Mischung aus Ernst, Selbstgefälligkeit und Unberechenbarkeit. Auch die Nazis sind von Django begeistert: Er soll auf Deutschlandtournee gehen, sogar ein Auftritt im Berliner Olympiastadion vor Goebbels, gar Hitler, wird ihm in Aussicht gestellt.
Django schweigt. Ein ganzes Papier von Vorschriften liegen die Nazis ihm und seine Band vor: „Negermusik“ ist nicht erlaubt, mit dem Fuß darf nicht rhythmisch mitgeklopft werden und so weiter. Der Rausch zieht die Nazis an, aber sie haben auch Angst davor.
Ins Kino gehen und täumen
Wie die Musik die Menschen entfesselt, inszeniert der 52-jährige Comar in mitreißenden Szenen, aber er lässt sich doch wenig von Djangos Experimentiergeist infizieren. Sein Film ist ein pointiert geschriebenes, aber recht braves Biopic, das zudem – und das passt zur politisch ausgerichteten Berlinale – auch eine Flüchtlingsgeschichte erzählt: Denn Django will mit seiner schwangeren Frau und Familie in die Schweiz fliehen. Sie gelangen in ein Dorf nahe der Grenze, dank seiner Verehrerin Louise (Cécile de France), mit der er auch lässig ins Bett geht.
Einmal imitiert Django für sie Clark Gable, noch einer mit Schnurrbart, genauso wie er, Django, genauso wie Hitler, dessen Schnauzer Django aber mies findet. Abrasieren ist bei Django nicht, auch nicht zur Tarnung.
Dem steten Schnurrbartträger Kosslick mag das gefallen, genauso wie die Sehnsucht nach Eskapismus, die sich durch dieses gut gespielte Musikerporträt zieht. Im Bett sagt Louise zu Django einen Satz, wie gemacht für einen Eröffnungsfilm: „Lass uns ins Kino gehen und ein wenig träumen.“
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- Anke Engelke