Sex ohne Teppich
Ist der Präsentationszirkus von „Nymphomaniac“ PR-Geschick oder klassischer Gang der Dinge, wenn es um Tabubrüche und Sex geht? Lars von Trier jedenfalls hatte schon 2011 in Cannes angekündigt, einen vierstündigen Porno zu drehen. Alle lachten ungläubig, Charlotte Gainsbourg aber lachte etwas verhaltener, denn sie wusste, dass sie die Hauptdarstellerin sein sollte.
Und sicher hätte jetzt „Nymphomaniac“ eine große Festivalpremiere bekommen – wahrscheinlich wieder in Cannes. Aber 2011, auf der Pressekonferenz zu „Melancholia“, bekam Trier an der Côte d’Azur die Frage, ob sein deutsch-romantisch eingefärbter Apokalypsefilm nicht eine Nähe zur NS-Ästhetik habe. Trier verrannte sich in seiner Antwort und sagte dann: „O.k., ich bin ein Nazi.“ Das war das Ende in Cannes: Hausverbot, keine Premierenfeier. Trier schwor, in Zukunft seinen Mund zu halten.
So ist jetzt „Nymphomaniac“ „gekürzt und zensiert“, ohne roten Teppich einfach in einem Kopenhagener Programmkino gestartet, als vierstündiger Zweiteiler am zweiten Weihnachtstag. Nach ersten Zuschauerreaktionen ist es ein graugelber, naturalistischer, pornografischer Abgesang geworden auf Liebe und Sex und das kulturell und psychologisch übersteigerte Verhältnis der beiden Elemente zueinander. Eine Frau (Gainsbourg) erzählt und beichtet ihr Leben, das in ihrem Fall identisch ist mit ihrem Sexleben.
Nach dem Cannes-Desaster hätte sich die Berlinale als Premierenplattform angeboten. Aber Trier wollte angeblich diesmal den Festivalzirkus meiden. Jetzt aber wird „Nymphomaniac“ doch in Berlin in einer Sondervorführung gezeigt: unzensiert, ungekürzt. Ob das das Filmerlebnis steigern kann? Man wird sehen.
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