Seidl, Efron, Jackson: Gegensätze beim Filmfest Venedig

Ein Muslim, der ein Bild des Papstes von der Wand reißt und dafür Szenenapplaus bekommt - ein erster Skandal bei den Filmfestspielen Venedig?
von  dpa

Venedig - Nicht wirklich, aber immerhin lieferte der österreichische Regisseur Ulrich Seidl mit seinem Wettbewerbsbeitrag "Paradies: Glaube" - einer deutschen Koproduktion - manches, was provozierte. Eine fanatische Katholikin liefert sich darin mit ihrem muslimischen Ehemann einen privaten Glaubenskrieg. Es brauchte allerdings nicht unbedingt so einen Aufreger, um am Freitag beim Festival die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn eine Michael-Jackson-Doku feierte die Musik-Legende und Jungstar Zac Efron sorgte für entzücktes Kreischen vor allem bei den weiblichen Fans.

Efron, als Teenager mit der TV-Serie "High School Musical" zum Mädchenschwarm katapultiert, will sich mit dem Drama "At Any Price" weiter als ernstzunehmender Darsteller etablieren. An der Seite von Dennis Quaid ("The Day After Tomorrow") spielt der 24-Jährige einen Farmerssohn, der gegen seinen Vater und dessen Lebensentwurf rebelliert. Als eine Tragödie passiert, muss sich die Familie entscheiden, welchen Weg sie gehen will.

Regisseur Ramin Bahrani verbindet dabei gekonnt Beobachtungen vom Alltag in der Einöde mit dem Erwachsenwerden eines jungen Mannes und dem Kampf einer Familie gegen den finanziellen Ruin. Er habe mit seinem Film Fragen nach der Moral stellen wollen, sagte Bahrani. "Wir befinden uns in einer globalen Krise. Doch die Menschen, die davon am meisten profitiert haben, kommen ungeschoren davon."

Ganz anders dagegen Spike Lees Werk, die Doku "Bad 25". Darin rekonstruiert Lee die Entstehung von Jacksons Erfolgs-Album "Bad" und interviewt dafür ehemalige Weggefährten und Fans wie Mariah Carey und Justin Bieber. "Das ist mein Liebes-Brief an Michael Jackson", sagte Lee über den Film. Herausgekommen ist eine intensive Würdigung von Jacksons Werk und dessen Leistungen.

Dokumentarische Ansätze hatte auch Ulrich Seidls Spielfilm. Der 59-jährige Österreicher ("Hundstage") lässt im zweiten Teil seiner "Paradies"-Trilogie die Katholikin Anna auf ihren muslimischen Ehemann prallen. Anna geht in Österreich missionierend von Haus zu Haus. Dann kehrt ihr querschnittsgelähmter Mann nach zwei Jahren Abwesenheit zurück und fordert von der ihm entfremdeten Anna, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen - alle. Anna ist zwischen den christlichen Ansprüchen an sich selbst und der Abscheu vor dem groben Ehemann hin- und hergerissen. Ein religiös getriebener Beziehungskrieg beginnt, wie er wohl noch nie im Kino zu sehen war.

"Wenn dieser Film Sie verstört, wird das einen Grund haben", meinte Seidl. "Er wird nicht jeden Zuschauer verstören." Er habe keine Geschichte erzählen wollen, die für den gesamten christlichen Glauben steht. Aber sie könnte sich so ereignen, war sich Seidl sicher. "Sehr oft ist die Hölle im Alltagsleben zu sehen, auch in der Ehe. Jeder hat seine eigene Hölle in sich."

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