Kritik

Sean Penn und Dakota Johnson in "Daddio"

Der Film erzählt von einer nächtlichen Taxifahrt durch New York.
Adrian Prechtel
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Dakota Johnson in "Daddio"
Dakota Johnson in "Daddio" © Verleih

Es gibt klassische Orte, an denen man eher bereit ist, Fassaden fallenzulassen, sein Inneres preiszugeben. Anonymität ist von Vorteil, sicher auch die Nacht, weil man die Tagesanforderungen des Rollenspiels und des Funktionierens hinter sich gelassen hat. Bars sind solch mythische Orte. Eine Steigerung ist das nächtliche Taxi, weil man hier noch enger zusammengespannt ist und die Zeit limitiert ist.

Ein Mann erklärt die Welt

Am New Yorker Flughafen JFK steigt eine Frau (Dakota Johnson) in ein Taxi: 44. Straße, Kreuzung 9. und 10. "Good ol' Midtown", sagt der Fahrer (Sean Penn) – und bereits dieser Satz schafft ein Minimum an Vertrautheit, weil hier zwei New Yorker zusammenkommen: sie Mitte dreißig, souverän und sensibel zugleich, er dreißig Jahre älter, ein zerknitterter Haudegen.

In unserer filmischen Gegenwart - gerade auch, wenn Regie und Drehbuch von einer Frau (Christy Hall) stammen - erwartet man nun ein intensives Ping-Pong-Spiel zwischen einer emanzipierten Frau und als Gegensatz einem Macho. Und natürlich erfüllt "Daddio" das - aber doch anders, als man denkt.

Ein feministischer Kampfbegriff ist "Mansplaining", der unterstellt, Männer würden tendenziell Frauen altväterlich die Welt erklären. Und interessanterweise tut Sean Penn genau das.

Die Menschenkenntnis des Taxifahrers

Sie kommen ins Gespräch, natürlich auch über Partnerschaften, auch weil er als Taxler über die Jahrzehnte eine große Menschenkenntnis gesammelt zu haben scheint - und bei mancher Vermutung über ihr Leben richtig liegt. Und er erklärt ihr, dass Männer eigentlich nur das eine wollen, es aber unterschiedlich geschickt und sensibel anstellen.

Im Laufe der Fahrt - die sich wegen eines Unfall-Staus auf die gesamte Filmlänge von 100 Minuten verlängert - wird er auch sein nicht gerade geradliniges Beziehungsleben offenlegen müssen. Aber das Irritierende bleibt, dass er, der Old-School-Macho letztlich atmosphärisch die Oberhand behält.

Und über ihren Whatsapp-Chat auf der Rückbank mit ihrem Liebhaber, der verheiratet und dreifacher Vater ist, sitzt inhaltlich noch jemand mit im Auto - und mit ihm große Lebensfragen, weil viel auf dem Spiel steht.

Kleinste innere Regungen

So ein extremes Kammerspiel in einem Auto steht und fällt mit den Schauspielern und der Fähigkeit der Regie, Abwechslung hineinzubringen. Letzteres gelingt geschickt durch die nächtlich vorbeigleitende Stadtlandschaft, die Großstadtromantik verbreitet und durch Kamerawechsel, die den Zuschauer sich mal mit dem einen mal mit der anderen identifizieren lässt, und manchmal sitzt man wie ein stummer, psychologisch beobachtender Beifahrer dabei. Die Lichter der Großstadt werden zu pittoresken Lichtschlieren an den Fensterscheiben.

Dakota Johnson (berühmt geworden durch "Fifty Shades of Grey") zeigt hier ihr Schauspieltalent, weil man durch permanente Nahaufnahmen kleinste innere Regungen oder versteckte Zweifel extrem subtil andeuten muss, weil es ansonsten eben platt oder peinlich würde. Und Sean Penn gibt dem alten, besserwisserischen Hasen den Abgrund von Einsamkeit hinter seiner kaugummikauenden, frechen Coolness.

Sehnsucht nach klassischer Liebe

Wer Feministischeres statt doch eher klassischen Rollenbildern erwartet, wird vielleicht enttäuscht. Der Film erklärt die unmoderne Schieflage aber über aufwühlende Probleme, die hinter ihrem jungen Selbstbewusstsein rumoren. Dakota Johnson ist hier genauer betrachtet ein wirklich starker, nur momentan etwas verunsicherter Frauentyp mit der Sehnsucht nach klassischer Liebe. Und so kommt einem "Daddio" letztlich in seinen intimen Bekenntnissen und schönen Andeutungen von Sehnsüchten sehr wahr vor. Es ist ein Plädoyer für das persönliche Gespräch, weil es eben doch größere Natürlichkeit und Echtheit erzeugt als aller technischer Ersatz.

Kino: Solln sowie Arena, Leopold (auch OmU), Museum (OV)
R: Christy Hall (USA, 101 Min.)

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