Sean Bakers "Red Rocket": Ich bring dich groß raus!

Unabhängig ganz nach oben: Sean Bakers "Red Rocket" ist ein lässiges Meisterwerk
von  Margret Köhler
Simon Rex war wirklich Pornodarsteller, jetzt spielt er Mikey und Suzanna Son eine Donutverkäuferin.
Simon Rex war wirklich Pornodarsteller, jetzt spielt er Mikey und Suzanna Son eine Donutverkäuferin. © UPI

Mit dem iPhone drehte er "Tangerine L.A." über transsexuelle Prostituierte in L.A., mit dem Sozialdrama "The Florida Project" über eine Sechsjährige und ihre Mutter, die durchs soziale Raster gefallen sind, begeisterte er 2017 und 2021 schaffte der US-Amerikaner Sean Baker mit "Red Rocket" den Sprung in den renommierten Wettbewerb von Cannes.

Kosten lag nur bei 1,2 Millionen Dollar

Für nur 1,2 Millionen Dollar realisierte der kompromisslose und kunstvolle Außenseiter-Chronist dieses schmutzig-schöne und total schräge Wunderwerk. Und es sieht teuerer aus und macht mehr Spaß als so mancher kostspielige Blockbuster.

Sean Baker interessiert die sogenannte "Underground Economy" und so taucht er wieder ein in das White-Trash-Milieu, in die Welt derjenigen, die sich am Rande der Gesellschaft durchschlagen, jeden Dollar dreimal umdrehen und mit nicht ganz legalen Geschäften ihr Überleben sichern.

Der Inhalt: Um was geht es in "Red Rocket"?

So einer ist Mikey Saber, ein abgehalfterter Pornostar aus L.A., der total pleite in seine kleine texanische Heimatstadt zurückkehrt. In dem Kaff ist er nicht gerade willkommen und seine Noch-Ehefrau Lexi und deren griesgrämige Mutter nehmen ihn nur widerwillig in das heruntergekommene Haus auf. Noch tut sich wenig: ein bisschen Haschisch verticken, rumhängen und auf bessere Zeiten warten. Die wittert der immer noch attraktive Kerl, als die Donut-Verkäuferin Strawberry fasziniert seinen Sprüchen lauscht. Der Mittvierziger sieht seine Chance und verspricht der 17-Jährigen, sie im Pornogeschäft zum Star aufzubauen und testet erst einmal ihre "Fähigkeiten".

Was Baker da mit Witz und Bösartigkeiten auf die Leinwand bringt, ist ein knalliges Adieu an gestrige Männlichkeit. Simon Rex, der vor seiner Karriere als Komiker und Rapper in den 90er Jahren wirklich selbst in drei Pornofilmen unter Pseudonym vor der Kamera stand, spielt den Hallodri mit den eisblauen Augen, der die Schuld immer bei anderen sucht, mit Charme, Naivität und Schlitzohrigkeit. Wie der Pseudo-Promi zwischen Ehrlichkeit und Lüge balanciert, zwischen Überheblichkeit und Narzissmus, Selbsttäuschung und Selbsterkenntnis verziert mit einem Portiönchen Liebe und Sex, ist sensationell.

Ihm gegenüber: die Newcomerin Suzanna Son, die mit Lolita-Image und Kalkül auf dem Sprung nach oben ist. Nicht zu vergessen die New Yorker Theaterschauspielerin Bree Elrod als Mikeys Ex, eine Frau, die sich fast aufgegeben hat und in ihrer Verlorenheit das absolute Herz des Films. "Red Rocket" ist cooles Kino in seiner schönsten Form.


K: City, Monopol (beide OmU)
R: Sean Baker (USA, 128 Min.)

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