Schuld und Gefühle in Farhadis Film "Le Passé" mit Bérénice Bejo
Berlinale-Triumphator Asghar Farhadi erzählt seine Geschichte in Paris weiter: "Le Passé _ Das vergangene" ist ein seltenes und kunstvolles Wahrhaftigkeitserlebninis im Kino mit Bérénice Bejo Wenn man über Jahre mit jemandem tief vertraut war, bleibt er auch über eine harte Trennung hinaus nah. Vor zwei Jahren hatten sich „Nader und Simin“ getrennt, im gleichnamigen Film von Asghar Farhadi, der damit gleich den Bären der Berlinale als bester Film gewann. Sie wollte ins Exil nach Frankreich, weil sie für sich und die Kinder keine Zukunft mehr im Iran sah. Er wollte in der Heimat bleiben, auch bei seinem pflegebedürftigen Vater. Die Familie war über diese Fragen erschöpft, die Ehe verebbt.
Bérénice Bejo ist die Frau, die die Männer wechselt
Regisseur Farhadi ist danach selbst nach Frankreich gegangen und hat jetzt die Geschichte weiter erzählt – mit anderen Figuren, aber doch ganz klar angelehnt: Ahmad kommt aus dem Iran nach Jahren angeflogen, weil seine Frau, die jetzt mit den Kindern am Rand von Paris lebt, die Unterschrift zur Scheidung braucht. Sie, Marie (Bérénice Béjo), lebt jetzt von unterdrückten Schuldgefühlen gegenüber dem Ex und den Kindern gereizt mit einem neuen Mann zusammen. Der (Tahar Ramin) ist wieder ein sanfter Typ, aber weniger intellektuell.
Die Teenietochter bockt
Aber auch er ist noch verheiratet und bringt einen kleinen Sohn in die neue Beziehung mit. In dieser angespannten und für die Kinderseite orientierungslosen Situation soll ihr Ex (Ali Mosaffa) auch noch vermitteln: Die Teenietochter bockt gegen die Mutter und ihre neue Beziehung. Aber all das ist für Ahmad kompliziert, denn er hat die alte Beziehung zu seiner Noch-Frau Marie uneingestanden noch nicht ganz aufgegeben. Wer glaubt, das alles sei psychologisch-intellektuelles Nischen-Kunstkino, täuscht sich.
Beißende Zwiebelringe um die Kerngeschichte
„Das Vergangene“ berührt jeden Zuschauer durch Wahrhaftigkeit. Und es ist eines der besten psychologischen Porträts von Patchwork-Familiensituationen mit vielen Fehlbarkeiten, aber ohne jede einfache Schuldzuweisung. Am Ende ist der größtmögliche psychische Fragmentierungszustand erreicht, aus Schuld und Gefühlen, die man nicht einfach ausschalten konnte und kann. Die Kunst Farhadis besteht auch im intelligenten Aufbau der Geschichte: Die Konstellation ist bald klar. Aber wie bei einer Zwiebel entblättern sich immer mehr Ringe um die Kerngeschichte, es wird beißender, auch wenn alle versuchen, den angespannten Frieden zu halten. Farhadi hat dafür eine ruhige Filmsprache gewählt, die uns aber atemlos beobachten und mitfühlen lässt. Selten schaut man Menschen so wahr und klar in ihre komplexe Gefühlswelt.
Kino: ABC, City, Arena, Studio Isabella sowie Theatiner (OmU) B&R: A. Farhadi (F, 125 Min.)
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- Scheidung