Schöner Kitsch und echtes Können

David Garrett spielt nicht nur, sondern ist „Der Teufelsgeiger“. Der Film modernisiert Niccolo Paganini, hat Teenieschwarm-Qualitäten und streut Bildungsbürgerliches ein
Adrian Prechtel |
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David Garrett spielt nicht nur, sondern ist „Der Teufelsgeiger“. Der Film modernisiert Niccolò Paganini, hat Teenieschwarm-Qualitäten und streut Bildungsbürgerliches ein

Das ist die Verlockung: „Ihr wollt, dass Euch ein Reich zu Füßen, liegt größer als Napoleons?“, fragt der Musik-Manager (Ed Harris). Und Niccolò Paganini (1782-1840) ergreift die Chance: „Ich weiß, meine Musik wird triumphieren!“

Besserwisser werden bemängeln, dass im Leben Paganinis eben vieles doch ganz anders war als dargestellt: die Städte des Triumphs, der in Paganinis Leben erst spät auftrat, der körperliche Verfall, der durch Syphilis, Tuberkulose, Unterleibsbeschwerden und Quecksilbervergiftung extrem war.

Aber Garrett reibt sich an der Figur Paganinis nicht auf, sondern stülpt ihr einfach seine Selbstsicht über: Seht her: Ich bin ein Star, von den Massen geliebt, von Kritiker-Snobs verachtet!

Etwas plump-plakativ sind Gegenwarts-Tendenzen eingebaut – wie Ausländerfeindlichkeit („Ein Welscher verführt sauberes englisches Mädchen!“). Witzig kommt Piraterie vor, wenn im Konzert bezahlte Musikstudenten mitschreiben, damit ein fremder Verleger an die Noten kommt. Und Paganinis diabolischer Impressario handelt skrupellos und selbstherrlich, so dass sich der Star versklavt fühlt und der peinliche Satz fällt: „Sie geht über Leichen, die Musikindustrie!“

Auch Marketing-Strategien werden entlarvt, wenn man die Biografie Paganinis mit erfundenen Gefängnisaufenthalten würzt, den Teufel als magisches Element ins Spiel bringt und durch künstliche Karten-Verknappung Hysterie und den Preis anheizt (selbst der englische König muss zahlen, und die Presse wird mit Freibier in Stimmung gehalten).

Garrett selbst hat erklärt, dass er Paganini als modernen Star zeigen wollte, mit einem Leben wie er es selbst führt.

Dabei wird Garretts metrosexuelle Erotik hemmungslos eingesetzt – inklusiv Badewanne. Und eine geheimnisvolle, verdrogte Rockstar-Heruntergekommenheit wird mit verdunkelter John-Lennon-Nickelbrille unterstrichen. Garrett wirkt dann, wie aus einem Teenie-Vampirfilm entsprungen.

Aber hier sind auch die Stärken des Films. Denn Garrett kann wirklich spielen – nicht nur Geige, was dem Film auch eine seltene Echtheit verleiht.

Regisseur und Drehbuchautor Bernard Rose hat der Geschichte noch einen Teufelspakt aufgedrückt und dabei Johann Wolfgang von Goethe und auch ein wenig Thomas Manns „Doktor Faustus“ eingebaut: mit einer Art Gretchen (Andrea Deck), das vom Casanova-Paganini erotisch irritiert singt: „Meine Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer. Ich finde sie nimmer und nimmermehr...“ Aber das Mädchen sinkt nicht von Paganini gezogen hin. Der Teufelspakt (Erfolg gegen Liebesentzug) fordert sein emotionales Scheitern und Einsamkeit. Sie aber startet modern emanzipiert eine Gesangskarriere.

Etwas theatralisch wird vor Spielsucht und Drogenkonsum gewarnt, wird gezeigt, dass Ruhmsucht und Erfolg wie ein Fluch gegen das Glück sein können. Und natürlich ist „Der Teufelsgeiger“ auch kitschig. Das aber liegt vor allem daran, dass David Garrett einfach viel schöner und weicher ist, als es der großnasige, schärfer geschnittene Paganini je war.

So ist der Film ein schwärmerischer Teenie-Film geworden, mit bildungsbürgerlichen Einstreuungen und etwas für Schau- und Sensations-Lustige – und das ist gar nicht so wenig.

Kino: Leopold, Mathäser, Royal und Museum Lichtspiele (OV), R Bernard Rose (D, Ö, I, 123 M.)

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