Russell Crowe als "Noah": Gottes Wucht und Noahs Beitrag
Bei Darren Aronofsky ist die biblische „Noah“-Geschichte pathetisch, kitschig, patriarchalisch zur Öko-Mission geworden, aber mit einigen interessanten Aspekten
Er ist ein Mann der Gegensätze: Darren Aronofsky hat schon Natalie Portman ballettös in einen „Black Swan“ verwandelt, Mickey Rourke als „Wrestler“ wiederbelebt und mit „The Fountain“ einen Esoterik-Film gedreht. Jetzt ist das Alte Testament dran. Und bei „Noah“ werden Feministinnen und Theologen aufjaulen, für Actionfreunde ist das ganze etwas zu Gutmenschen-lasch. Ihre Freude am konservativen Weltbild aber hat sicher die religiöse US-Rechte bei diesem wuchtigen 3D-Koloss mit Missionsanspruch.
Wie erzähle ich diese alte Geschichte für heute?
Darren Aronofskys Problem ist: Wie erzähle ich eine mythische Geschichte für uns heute? Seine Grundentscheidung: nicht modernisieren! Auch wenn angedeutet die Welt wie nach einer vertrocknenden, heutigen Klimakatastrophe aussieht und Flüchtlingsströme unterwegs sind. Und so erleben wir eine patriarchalische Gesellschaft mit einem wehrhaft friedfertigen Noah, der als Mann Kraft, Schutz und Ruhe ausstrahlt. Wenn aber die blauäugige Sippe verteidigt werden muss, schlägt er hart zu, tötet. Seine Frau (Jennifer Connelly) ist da nur liebende Gefährtin und Gebährerin in seinem israelitischen Nomadenleben in der Jurte. In diese reaktionäre Konstruktion setzt Aronofsky eine Öko-Ideologie: Zivilisation ist das Übel. Denn dort, wo Menschen sich zu größeren Gruppen zusammenschließen, herrscht sofort Sodom, Gomorrha und Gewalt, gilt rücksichtslos das Recht des Stärkeren wie beim Brudermörder Kain.
Kain und Abel, Sodom und Gomorrah und eine Ökobotschaft
Aber die Ökobotschaft wird noch weiter getrieben: Noahs Familie ist vegetarisch, er selbst ein Tierflüsterer. In dieser pseudonatürlichen Welt muss konsequent ausgeblendet werden, dass sich Tiere untereinander fressen, sie werden zu „unschuldigen Wesen“ romantisiert. Einen krassen Stil- und Geschichtsbruch begeht Aronofsky zu Gunsten eines Fantasy-Aspekts. Als ob er zu viel Erich von Däniken gelesen hätte, lässt er – albern unnötig – außerirdische Kometen-Lava-Steinriesen Noah helfen beim titanischen Archebau und der blutigen Verteidigung gegen den Pöbel-Sturm auf dieses riesige „Rettungsboot“ zu Beginn der Flut. Russell Crowe spielt Noah als Mann in göttlicher Mission, der sich durch Traumdeutung und angeekelt von der Verrohung der Welt zum Bau der Arche entschließt. Er interpretiert den Willen des Schöpfers so, dass Gott ohne Menschen weitermachen will. Denn Noah hat nur Söhne. Seine Adoptivtocher (Emma Watson) kann nach einer Verstümmelung durch Feinde keine Kinder mehr bekommen.
Anthony Hopkins ist Methusalem
Als sie nach einem Heilungswunder durch den Urgroßvater Methusalem (Anthony Hopkins) doch Zwillingstöchter vom ältesten Noah-Sohn bekommt, will Noah erst die Enkelinnen töten, wie Abraham seinen Sohn Isaak dem Willen Gottes opfern will. Ein klassischer Generationen- und Ehekonflikt entsteht. Aber Noah bekommt „christliches“ Mitgefühl, das das Abtöten der Menschheit verhindert. Hier schlägt der Film auch symbolisch den Bogen zum Neuen Testament – mit Reben am Weinstock in Noahs Eremitenhöhle. In die hat er sich nach der Landung zurückgezogen, um herauszufinden, ob Gott uns Menschen wirklich eine zweite Bewährungs-Chance geben will.
Das Böse ist immer und überall
Aber wie kommt nach Ursündefall und Flutreinigung erneut das Böse in die Welt? Aronofsky löst das theologische Problem mit einem blinden Passagier auf der Arche, der Schlangenfleisch fressend überlebt und den zu kurz gekommenen, jüngeren Noah-Sohn ideologisch infiziert. Entsteht ein neuer Kain? Das alles, zum Teil Krude, erzählt Aronofsky in einem dauerpathetischen Grundton, der der biblischen Erzählung völlig fremd ist und allzu oft auch noch in wuchtigen Kitsch verfällt.
Kino: Cincinnati, Leopold, CinemaxX, Royal sowie Gloria (dt. und OV) und Museum (OV) B&R: Darren Aronofsky (USA, 138 Min.)