"Rückkehr nach Montauk": Suche nach der verlorenen Zeit

Volker Schlöndorffs elegantes, ruhiges, tiefes Meisterwerk im Geiste von Max Frisch: "Rückkehr nach Montauk".
Es könnte ein Schimpfwort sein: literarisch! Aber "Rückkehr nach Montauk" ist ein wunderbar literarischer Film. Und das nicht nur, weil Max Frisch mit seiner autobiografischen Erzählung "Montauk" von 1975 viele Themenfelder für diesen Film liefert: Max heißt auch die Hauptfigur – ein deutschsprachiger Schriftsteller auf Lesereise in den USA (gespielt von Stellan Skarsgård). In seinem typisch studienrätlichen Altlinken-Sakko ist er eitel, wenn auch bildungsbürgerlich verbrämt.
Volker Schlöndorff hat auf der München-Premiere diesen Max als "Kotzbrocken" bezeichnet. Aber das tut ihm unrecht. Denn man versteht durchaus seine Anziehungskraft. Max ist erfolgreich und intellektuell souverän. Seine Frau (Susanne Wolff) liebt ihn trotz Unnahbarkeit und Amouren. Aber da ist noch eine andere Frau aus seiner Vergangenheit, von der sie nichts weiß: Rebecca (gespielt von Nina Hoss).
Für sie hat er seinen neuen Roman geschrieben: "Jäger und Gejagte". Denn er ist über den Bruch vor 17 Jahren nach ihrem Liebesausflug an den Atlantik nicht hinweg. Und so lügt er seine Frau an, schafft, dass eine junge amerikanische Verlagsassistentin ihn deckt, sucht die inzwischen erfolgreiche Anwältin Rebecca gegen ihren Wunsch auf. Und beide machen sich doch noch einmal auf – zu ihrem Erinnerungsort Montauk. Doch ihre Motive, das Spiel und ihre Ziele, die die beiden hier verfolgen, sind vielschichtig und überraschend: sanfte Rache? Oder endgültiges Verabschieden, Heilung von Schuld und Wunden? Oder doch Hoffnung auf Wiederaufglühen einer Gefühlsintensität, wie sie seither – zumindest ihm – nie wieder begegnet ist?
Ein Lebenslinien- und Lebensfragenfilm
So ein Lebenslinien- und Lebensfragenfilm über den Wunsch, Vergangenes noch einmal aufgreifen zu können, durch Vergebung Schuld ungeschehen machen zu können, setzt wie ein Theaterstück stark auf Dialoge.
Aber Schlöndorff vermeidet Ping-Pong-Theatralik, die Wortgefechte sind subtil und messerscharf zugleich. Und alles ist eingebettet in intelligente, filmische Eleganz, die so jegliche Langatmigkeit vermeidet. Besonders gut kann man das bei seiner Roman-Lesung an einem der vielen kultivierten Orte sehen, wenn Textstellen, Gedanken, Erinnerungen und Applaus einen fließenden Bilderreigen eingehen.
New York ist in diesem Film sophisticated und als urbaner Raum spürbar. Die Atlantikküste, wo schon "der große Gatsby" mit seinem Meeresblick lebte, ist frischer Freiraum.
Großartig spielen Stellan Skarsgård, dessen körperliche Schwere im Rausch der Hoffnung auf Lebensverwandlung langsam verlorengeht. Und Nina Hoss schafft, dass dieser Rebecca eine Aura von Geheimnis bleibt, das sie begehrenswert flirrend umgibt zwischen Stärke und Verletzlichkeit. Einzig ein wenig schade ist, dass man – trotz deutscher Vorlage und deutschsprachiger Figuren – auf Englisch gedreht hat und deshalb synchronisieren musste.
Kino: City, Solln, Rio, Isabella, Münchner Freiheit, Maxim
B&R: Volker Schlöndorff
(D, F, IRL, 106 Min)
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