Romantisches Glotzen

Woody Allen lässt in „To Rome With Love” kein Italo-Klischee aus und zitiert sich selbst
Adrian Prechtel |
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Wir kennen New York durch Diane Keatons Augen, London und Barcelona durch Scarlett Johanssons. Zuletzt verzauberte uns das mitternächtliche Nostalgie-Paris. Wenn Woody Allen seine Liebesspiele in einer Traumstadt treibt, ist sie immer zu schön, um wahr zu sein. Jetzt werden Blicke auf Rom geworfen, doch schon das kreisende Verkehrs-Chaos an der Piazza Venezia ist mehr elegant als entnervend. Aber wir Europäer danken es Allen, dass er unsere Selbstkritik nicht teilt und uns – durch seine US-Außensicht beglaubigt – romantisch glotzen lässt.

Dabei lässt er in seinem Episodenfilm „To Rome With Love” kein Italo-Klischee aus: Woody selbst spielt einen ex-ambitionierten Musik-Manager, der nach Rom jettet, weil sich seine Tochter mit einem Italiener verheiraten will. Den hat er natürlich unter (Operetten-)Kommunismusverdacht. Irgendwie muss Allen auch etwas vom Show-Berlusconismus mitbekommen haben. Denn die Medienlandschaft ist als hysterische Ich-werde-Promi-Groteske gezeichnet, in der zufällig ein spießiger Jedermann-Familienvater (Roberto Benigni) zum TV-Star wird und kurz „berühmt dafür ist, dass er berühmt ist”: Italien als Land der Hochstapler und gepflegten Banalitäten, aber auch der Liebe. Nur dass ein junges Provinzpärchen aus Rom flieht, weil hier nur dünkelhafter Karrierismus herrscht und es sich in eine Verwechslungskomödie mit einer Prostituierte (Penélope Cruz) verwickelt hat.

Und was sind Italiener noch, auch wenn sie nicht aus Neapel sind? Musikalisch! Woody Allen hat Tenor Fabio Armiliato gecastet – als singenden Bestattungsunternehmer. Daraus schlägt Allen den witzigsten Funken seiner Komödie: Denn Armiliato kann leider nur unter der Dusche so gut singen. So besinnt sich Allen in der Rolle als pensionierter Musikmanager seiner früheren, immer verrissenen Avantgarde-Inszenierungen (Verdi mit weißen Mäusen, was an Hans-Neuenfels’ Ratten-„Lohengrin” in Bayreuth erinnert). Er lässt Armiliato als Rigoletto einfach auf der Bühne immer unter der Dusche auftreten. Ein witziger Seitenhieb aufs Regietheater.

Ansonsten zitiert sich Allen oft selbst (wie in „Melinda und Melinda”), mit Alec Baldwin als sein Alter Ego, der als erfahrener Mann den jungen Jesse Eisenberg abhalten will, sich in die supersüß-sinnliche Kamikaze-Frau zu verlieben (Ellen Page genau wie Scarlett Johansson in „Vicky Cristina Barcelona”). Bei so vielen Selbstparaphrasen und Klischees, die diesmal nicht richtig flüssig ineinander gehen, ist Allen diesmal nur ein netter Film gelungen. Aber das ist ja auch was – vor allem auf Allen-Niveau.

Kino: Atelier (OmU), CinemaxX, Eldorado, Leopold, Mathäser, Museum Lichtspiele (OmU), Kino Solln, Studio Isabella
R&B: Woody Allen
(I, USA, 112 Min.)

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