"Radical Dreamer": Von Sachrang nach Los Angeles

Mit seinem Porträt "Radical Dreamer" setzt Thomas von Steinaecker dem Filmemacher Werner Herzog nichts weniger als ein Denkmal – und kommt ihm erstaunlich nahe. Am Sonntag ist Premiere.
von  Margret Köhler
Der Filmregisseur Werner Herzog in den Chiemgauer Alpen.
Der Filmregisseur Werner Herzog in den Chiemgauer Alpen. © Real Fiction

"Nichts ist untypisch für Werner Herzog. Nur das Untypische ist typisch für ihn". So beschreibt Wim Wenders seinen Regiekollegen und "lonesome Rider", der im September 80. Geburtstag gefeiert hat. Ein unangepasster Filmemacher, der an Grenzen und darüber hinaus ging, das "Unmachbare machbar" machte. Thomas von Steinaecker folgt seinem Werdegang und seinen Widersprüchen, setzt ihm mit diesem mitreißenden und sensiblen Porträt ein Denkmal und kommt ihm ungewohnt nahe.

Nie gezeigtem Archivmaterial und Anekdoten über Werner Herzog

Natürlich sieht man Ausschnitte aus "Fitzcarraldo" (1982), in denen ein riesiger Flussdampfer über einen Berg im peruanischen Dschungel gezogen wird, einen tobenden Klaus Kinski (seinen fünfmaligen Hauptdarsteller), der schon zehn Jahre zuvor bei "Aguirre, der Zorn Gottes" mit Beleidigungen um sich warf und Herzog als "Anfänger" und "Zwergenregisseur" beschimpfte, der seinerseits versuchte, "das wilde Biest" zu zähmen. Der Film stieß in Deutschland übrigens auf wenig Resonanz, wurde dagegen von Kritik und Publikum in Frankreich gefeiert.

Der Autor belässt es nicht bei bekannten Filmausschnitten, sondern geht weiter, überrascht mit noch nie gezeigtem Archivmaterial, unterhaltenden Anekdoten und Einblick in seine Tagebücher, Interviews unter anderem mit Herzogs Bruder Tilbert sowie dem Halbbruder und Produzenten Lucki Stipetic, mit Weggefährten wie Kameramann Thomas Mauch oder Volker Schlöndorff. Hollywoodstars wie Robert Pattinson, Christian Bale oder Nicole Kidman, die mit ihm arbeiteten, erzählen von der Faszination, die auf andere überspringt.

US-Regisseur Joshua Oppenheimer bringt es auf den Punkt: "Werner hat Dinge möglich gemacht, die sonst nicht möglich waren". Gespannt folgt man ihm von der Kindheit im oberbayerischen Sachrang bis in seine Wahlheimat Los Angeles, wo er seit den 1990er Jahren die im Deutschland vermisste Anerkennung und Würdigung bekam, zum Kultregisseur und popkulturellem Phänomen aufstieg, sogar als Figur in die Serie "Die Simpsons" Eingang fand. Ein Besessener, der seine Karriere gegen alle Widerstände durchzog, sich in jungen Jahren zu Fuß von München-Pasing nach Paris zu seiner Mentorin, der sterbenskranken Filmkritikerin Lotte Eisner, aufmachte, um den Tod zu verscheuchen.

Werner Herzog: Mensch und Visionär

Es fehlt auch nicht der Rückblick auf die 1960er und 1970er Jahre mit München als Zentrum des Neuen Deutschen Films. Neben der Ära der legendären Spielfilme behandelt Steinaecker die amerikanische Zeit mit außergewöhnlichen Dokumentarfilmen wie "Begegnungen am Ende der Welt" oder "Grizzly Man", die Geschichte über einen Bärenforscher, der am Ende von den Grizzlys gefressen wird. Herzog verfolgt darin das Konzept der "ekstatischen" Wahrheit, eine Überlagerung von Fakt und Fiktion.

In Erinnerung bleibt ein Mensch und Visionär, die Bewunderung für einen, der sich als ein "guter Soldat des Kinos" bezeichnet. Passend singt Patti Smith im Abspann "I was a wing in heaven blue. On the ocean, Soared in the rain. And I was free, I needed nobody. It was beautiful".


Am Sonntag, 19 Uhr, hat der Film im Filmmuseum am Jakobsplatz Premiere. Werner Herzog ist anwesend.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.