Queen-Film Bohemian Rhapsody in der Kino-Kritik: Weshalb er nicht überzeugt
Die goldene Generation der Rockmusik ist alt geworden, viele Stars sind schon gestorben. Und das heißt: Sie werden auf der Leinwand wieder auferstehen. Denn für Hollywood sind sie eine sichere Nummer, die Biopics über Rockikonen, die es im Zeitalter des hyperindividualierten Nischen-Internet kaum noch geben wird. Mit "Ray" (2004) über Ray Charles und "Walk the Line" (2005) über Johnny Cash gibt es tolle, erfolgreiche Blaupausen.
Die Filme hatten zweierlei gemein: Die Hauptdarsteller Jamie Foxx und Joaquin Phoenix waren herausragend, was bei der Verkörperung realer Figuren zwingend ist. Und die Filmemacher erzählten nicht wikipedia-artig von Vita und Karriere der beiden, sondern arbeiteten einen existenziellen Konflikt heraus: der blinde Ray Charles kämpfte mit seiner Heroinsucht, Johnny Cash mit dem frühen Tod seines Bruders, für den er sich schuldig fühlte. Ein Film, ein Konflikt: die klassische alte Drehbuchschule.
Rami Malek überragend als Freddie Mercury
"Bohemian Rhapsody" entspricht den beiden Filmen nur in einer Hinsicht: Rami Malek ist überragend als Freddie Mercury, als so hochbegabter wie höchst ehrgeiziger Sänger mit gewaltigen Visionen und Überbiss-Handycap. Und der zentrale Konflikt drängte sich geradezu auf: Mercurys Ringen mit seiner Homosexualität.
Die spielt im Film durchaus eine große Rolle: Der Sohn eines konservativen Inders gesteht sie sich lange nicht ein, auch als sich seine liebevolle Frau (Lucy Boynton) längst darüber im Klaren ist. Dann gerät er zwischen Parties und Promiskuitiät in große Einsamkeit, auch in München, wo der Film kurzzeitig spielt. Schließlich infiziert er sich mit HIV.
Ursprünglich hätte der Film hier in großen Teilen spielen sollen: Peter Morgan, der zuletzt die sagenhaft gute Netflix-Serie "The Crown" verantwortete, hatte vor zehn Jahren eine erste Drehbuchfassung geschrieben, die allein Freddy Mercury in den Mittelpunkt stellte und vor allem von seiner München-Zeit erzählt. Doch darüber geriet der Autor mit den Queen-Musikern Brian May und Roger Taylor in Streit, die Executive Producer des Films waren – und eine gebührende Rolle einforderten.
Die Queen-Historie muss gequetscht werden
Wie großartig hätte ein Freddie Mercury-Film des brillanten Autors Peter Morgan werden können? Man wird es nie wissen, er stieg aus dem Projekt aus. Und seine Nachfolger erzählten zwar noch von Mercurys Konflikten, wollten oder sollten aber zugleich die gesamte restliche Geschichte von Queen erzählen – das ist der Kardinalfehler.
Los geht es 1970: Da heißt Freddie noch Farrokh und verlädt am Flughafen Heathrow Koffer, abends sieht er sich in einem Club eine Band mit Brian May und Roger Taylor an, und als deren Sänger wegen Perspektivlosigkeit aussteigt, bringt er sich selbst ins Gespräch. Höhe- und Endpunkt ist der Auftritt 1985 bei Live Aid, wo jeder Rockstar des Planeten auftrat und doch niemand so sehr in Erinnerung blieb wie Queen.
Doch auch alle andere Eckpunkte der Queen-Historie aus den dazwischen liegenden 15 Jahre werden in den Film gequetscht: der erste Auftritt, bei dem Mercury beim Kampf mit dem Bühnenequipment aus Versehen sein Markenzeichen fand, den abgerissenen Mikroständer; die ersten Aufnahmen; die erste US-Tour; die Aufnahmen des Magnus Opum "Bohemian Rhapsody"; das Zerwürfnis mit dem Plattenboss von EMI, der diese überdrehte Mini-Oper nicht als Single veröffentlichen wollte – und so weiter.
Diese Stofffülle hat etwas Lexikalisches und lässt sich dramaturgisch nicht packend gestalten – zudem ist zeitlich einiges falsch angeordnet. Vor allem muss die Stoffmenge so verdichtet werden, dass vieles comic-artig gerät: So kommt Mercury mit seinem Partner zusammen, stellt ihn den Eltern vor, versöhnt sich mit seinem Vater und fährt weiter zum wichtigsten Auftritt seiner Karriere: alles innerhalb weniger Stunden – bizarr.
Wembley-Auftritt eines der wenigen Film-Highlights

Für Freddie Mercurys inneren Konflikt bleibt in diesem überladenen Film zu wenig Raum, um den Zuschauer zu berühren. Und ironischerweise werden Brian May und Roger Taylor, die das urprüngliche Konzept torpediert haben, auf wenige Eigenschaften reduziert: Brian May ist der Besonnene, Roger Taylor wirkt leicht gockelartig. Und bei Bassist John Deacon, der nicht an dem Film beteiligt war, traf bei den Filmemachern offenbar das zu, was Freddie Mercury ihm im Film beim großen Band-Zerwürfnis gehässig vorwirft: Zu ihm fällt niemandem etwas ein.
Der abschließende Auftritt in Wembley versöhnt dann ein wenig: Das Konzert wird fast komplett inszeniert, aus allen möglichen Perspektiven, und bis auf das wogende Publikum, das zu offensichtlich durch CGI animiert wurde, ist das prima anzusehen.
Dass "Bohemian Rhapsody" ansonsten nicht der Film wurde, der er hätte werden können, liegt am Baufehler des Drehbuchs. Dass dann auch noch Regisseur Bryan Singer plötzlich einfach nicht mehr zum Dreh kam – bei einem Projekt dieser Größe ziemlich einzigartig – ist da wohl nur noch eine bizarre Pointe. Den Film hätte er ebenso wenig retten können wie Dexter Fletcher, der kurzfristig zu Ende drehte.
Der hat übrigens schon das nächste Rock-Biopic fertig gestellt, über einen höchst lebendigen Star der goldenen Generation: "Rocketman" über Elton John startet im Mai 2019.
Kinos: Cinema, Museum-Lichtspiele (beide OV), Arena, Atelier (beide OmU), Cincinatti, Cinemaxx, Gabriel, Gloria, Mathäser (auch OV), Münchner Freiheit, Neues Rex, Royal | R: Bryan Singer (GB/USA, 134 Min.)
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