"Pretend It's a City": Scharfzüngig auf Streifzug durch New York

Martin Scorsese entführt mit der Mini-Serie "Pretend It's a City" in den Kosmos von Fran Lebowitz.
von  Michael Stadler
Fran Lebowitz.
Fran Lebowitz. © Netflix

Auf den Straßen von New York kann es, zumindest in vorpandemischen Zeiten, leicht passieren, dass Leute ineinander rennen, schließlich glotzen alle selbst beim Gehen nur noch in ihre Smartphones. Die allereinzige, die ihren Blick für alles Mögliche frei hält, ist Fran Lebowitz! Meint Fran Lebowitz.

Ein Fran-Lebowitz-Porträt ist auch ein Porträt der Stadt New York

Also, sagt Fran, gebt doch mal zumindest vor, dass es neben euch noch andere Leute in New York gibt: "Tut doch mal so, als wäre das hier eine Stadt!" "Pretend It's a City" lautet auch der Titel der siebenteiligen Mini-Serie, in der sie ihr alter Freund Martin Scorsese nun in ausgiebiger Breite porträtiert. Wobei ein Fran-Lebowitz-Porträt gleich auch ein Porträt der Stadt New York ist. Durch ihre Wahlheimat flaniert die Kolumnistin und Autorin, die seit Jahrzehnten an einer Schreibblockade leidet, immer wieder, wenn sie nicht gerade in einer der von Scorsese moderierten Shows sitzt, dabei amüsante Anekdoten erzählt oder spontan-spitzzüngig auf die Fragen des Publikums reagiert.

Dass diese Frau in Deutschland kaum bis gar nicht bekannt ist, mag einen hierzulande erstmal nicht dazu motivieren, diese Mini-Serie anzuschauen. Aber es geht sehr schnell, dass man Spaß an den Bonmots der 70-jährigen, elegant in maßgeschneiderten Herrenanzügen gekleideten Lebowitz hat.

Schon in der Schule (die sie später abbrach) wurde sie zur "Witzboldin" der Klasse gekürt und zündet heute aus ihrer ewig schlechten Laune heraus, mit Hang zur Misanthropie, weiterhin die schönsten Pointen. Ja, immer wieder wütend ist Fran Lebowitz in dieser dreckigen, niemals langweiligen Stadt New York: "Die Wut kommt daher, dass ich keine Macht habe, aber zu allem eine Meinung!"

Martin Scorsese baut Fran Lebowitz mit "Pretend It's a City" ein kleines Denkmal

Mit allen möglichen Berühmtheiten hatte sie in ihrem Leben Kontakt: mit Andy Warhol zum Beispiel, für dessen Zeitschrift "Interview" sie Kolumnistin war, oder mit Toni Morrison, mit der sie eine jahrzehntelange Freundschaft verband. Sie selbst wurde in den Siebzigern zur berühmten New Yorker (Stil-)Ikone, die ihren Bekanntheitsgrad bewahren konnte, obwohl sie das Schreiben ab Mitte der Neunziger sein ließ. Dafür kann sie verbal so flink die Sätze drechseln, dass sie gern gesehener Gast auf der Bühne und im Fernsehen ist: Mit Alec Baldwin plaudert sie in dessen Talk-Show etwa über den Glanz, den einst mal das Fliegen hatte; oder mit Spike Lee streitet sie darüber, ob Michael Jordan nicht mit Künstlern wie Michelangelo zu vergleichen sei. Lee meint: Na, klar! Lebowitz: Nein.

Ihre scharfen Kommentare mögen eine flüchtige Kunst sein. Aber Scorsese, selbst ein Meister seines Fachs, zieht sich gerne auf die Rolle des kichernden Fans zurück und baut ihr mit dieser Mini-Serie, nach seinem Lebowitz-Dokumentarfilm "Public Speaking" von 2010, ein weiteres kleines Denkmal.

"Pretend It's a City" ist auf Netflix abrufbar.

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