"Philomena" mit Judy Dench in der AZ-Kritik

Die Kunst, eine ernste Geschichte mit Witz und Humor zu erzählen: „Philomena“ von Stephen Frears
Adrian Prechtel |
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Sie ist eine durch Pflichtbewusstsein, Strenge und Familienprobleme verhärmte Frau. Und doch sind wir am Ende von ihr eingenommen, fast glühende Monarchisten. Dann wiederum kommt eine Sexbombe in ein Provinzstädtchen und beginnt gefährliche Liebschaften. Aber wir lieben sie. Ob der Oscar-Hit „The Queen“ oder die kleine Komödie „Drama um Tamara“ – Regisseur Stephen Frears schafft Filme, die ans Herz gehen. Und weil er uns immer auch noch die Garantie „kitschfrei“ mitliefert, berühren seine Filme oft mehr als viele gefühls-kalkulierte Hollywood-Produktionen. Mit „Philomena“ ist Frears noch Weiteres gelungen: Aus einer an sich traurigen Geschichte schlägt er Funken von Witz und Humor.

Philomena ist eine ältere Dame, sympathisch spießig und wunderbar „very british“ – und damit auch beherrscht. Aber eines Tages legt sich beklemmende Traurigkeit über sie. Und gegen ihren Willen bricht es aus ihr heraus, ein Geheimnis, das sie seit 45 Jahren hat, seit Nonnen ihr als Zwanzigjährige im Erziehungsheim ihren nichtehelichen Sohn wegnahmen, zur Adoption verkauften nach Amerika.

Eine wahre Geschichte

Ein eitler, links-liberaler Journalisten hat gerade eine Karriere-Krise und wittert eine gute Herz-Schmerz-Story mit gesellschaftlicher Brisanz. Er überredet Philomena, nach ihrem jetzt 50-jährigen Sohn zu suchen. Dazu muss sie, die in ihrem Leben kaum je verreist ist und immer geschwiegen hat, noch einmal zurück zum Erziehungsheim nach Irland und weiter nach Amerika.

Aus dieser wahren Geschichte (die, aufgeschrieben vom Journalisten, ein Bestseller wurde) macht Frears eine Reise zur Wahrheit. Und die ist in diesem Film umfassend angelegt: geschichtlich, gesellschaftlich, psychologisch. Denn hier muss der eingebildet Gebildete (Steve Coogan) einsehen, dass die oft „einfachen“ Leute natürlich menschlicher und sogar liberaler sind als Kopfgesteuerte. Dieser Gegensatz ist die Quelle des Humors des Road-Movies. Der auch deshalb so gut funktioniert, weil Judie Dench Philomena so viel Würde, Witz und Kraft gibt, dass sie dafür natürlich oscar-nominiert ist.

Eine weitere Spannung entsteht, weil der Film gleich mit zwei Erwartungshaltungen elegant spielt: Wird sie ihren Sohn wieder finden? Und kann sie ihren Peinigerinnen aus Teenagerzeiten verzeihen? Beide Fragen beantwortet der Film mit überraschenden Wendungen. Das ist ergreifend, mit britischem Humor und Klassenunterschieds-Witz angereichtert und – bei aller Versöhnlichkeit – nie süßlich-

Wer das Thema interessant findet, sollte sich noch eine härtere, ebenso wahre Geschichte auf DVD anschauen: „Die unbarmherzigen Schwestern“ (2002) von Peter Mullan.

Kino: Arri, ABC, Eldorado, Rio; Atelier (OmU), Cinema und Museum Lichtspiele ín OF, R: Stephen Frears (GB, 98 Min.)

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