Petersens Boot im Rahmspinat

Warum brauchte man 1980 zenterweise Rahmspinat beim Dreh von „Das Boot“? Jedenfalls nicht zur Verpflegung unter oder über Deck. „Denn als man das fünfeinhalb Meter große U-Boot-Modell durch das Außenbassin zog, wirkten die Kamerabilder, als ob es sich um ein Luftschiff handelt“, erklärt Sven Femerling, Kurator der Ausstellung „Bavaria Film – One Hundert Years in Motion“: „Das Wasser war zu klar. Kein Licht brach sich, es war steril.“ Also rührte man riesige Mengen Rahmspinat ein, was Pumpen und Filter des Riesenbeckens in Mitleidenschaft zog. Aber wer in Wolfgang Petersens Film die U 96 durch den Atlantik gleiten sieht, merkt: Man fischte im geheimnisvoll grünlich Trüben.
100 Jahre Filmproduktion in Geiselgasteig
Im Bavaria-Atelier, am nordöstlichen Eck des Filmstadt-Geländes, steht jetzt unter 200 Exponaten eben auch das vom Grünspan befreite, wieder mausgraue U-96-Modell auf einer der Themeninseln der insgesamt 1500 Quadratmetern Ausstellungsfläche.
Für einige Jahren war hier das „Bullyversum“, das die Filme von Michael Herbig feierte. Davon ist nur ein Ausstellungs-Eck geblieben. Denn jetzt zeigt man 100 Jahre Filmproduktion im Geiselgasteig. Denn es begann am 1. Januar 1919 mit der Pionier-Firma Emelka – in einem Glashaus, weil die Scheinwerfertechnik noch nicht weit genug war.
Ein "Waterloo", aber nicht bombadiert
Starker Hagel und ein Stummfilmflopp, der bezeichnenderweise „Waterloo“ hieß und mit dem man den Einstieg ins Tonfilmgeschäft verpasst hatte, brachten die Firma ins Trudeln. 1938 ging die Konkursmasse mit Hallen, Kopierwerk, Tonstudio und Filmrechten in der Bavaria Film AG auf.
Seltsamerweise wurde die Bavaria im Krieg nicht bombardiert, so dass man einschließlich 1945 drehen konnte. „Da gibt es die groteske Geschichte: Als die Amerikaner mit Panzern einfuhren, schickte ein Regisseur denen Angestellte entgegen, um um Ruhe zu bitten“, erzählt Femerling, der auch die Bavaria-Geschichte unter der NS-Zeit zeigt – mit einem Zwangsarbeiterlager. „Aber Goebbels blieb die Bavaria suspekt, weil er sie von Berlin aus zu wenig unter Kontrolle brachte“, meint Femerling.
Drei Ausstellungsäulen mit Klangdusche
Drei Ausstellungssäulen mit Klangdusche und eine App ins Virtuelle
Die Ausstellung hat drei Säulen: Im Erdgeschoss verteilen sich die Themeninseln, die verschiedene Genres zeigen: wie den Abenteuer-Thriller anhand von „Das Boot“, inklusive der TV-Neuverfilmung, die gerade ausgestrahlt wurde. Oder die erste Charts-TV-Sendung in Europa: „Formel Eins“. Oder man präsentiert hier Devotionalien und Setfotos aus bemerkenswerten Produktionen wie Billy Wilders „Eins, zwei Drei“ mit Liselotte Pulver. Dem Dreh der Ost-West-Komödie am Originalschauplatz Berlin kam 1961 der Mauerbau dazwischen, so dass das Brandenburger Tor inklusive Umgebung in der Bavaria nachgebaut werden musste.
Steve McQueen macht Stunts und spielt mit einem Baseball
Für „The Great Escape“ von 1963 musste ein großes Stück Perlacher Forst gerodet werden, um das Gefangenenlager, aus dem Steve McQueen im Film mehrmals versucht auszubrechen, zu errichten. Sein Triumph-Motorrad und der Baseball, mit dem er zum Zeitvertreib in der Einzelhaft spielt, sind hier ausgestellt.
Auf einem in den Raum eingezogenen Hochplateau spielt dann der klassisch chronologische Ausstellungsteil über die bisherigen 100 Jahre. Er bildet die zweite Säule.
Im Geisterbahnwägelchen durch die Klangdusche
Und als Drittes kann man mit Geisterbahn-Wägelchen durch einen abgeschirmten Parcours fahren, vorbei an Großwand-Filmbildern, zu denen die jeweiligen Filmmusik-Klassiker wie in einer Klangdusche erklingen – von „Raumpatrouille Orion“ oder der „Tatort“-Melodie.
Die vierte Säule ist virtuell: Mit einer Ausstellungs-App auf dem Smartphone kann man an vielen Stationen mitmachen: So verwandelt sich beim Reiten auf dem Drachen Fuchur aus der „Unendlichen Geschichte“ der neutrale grüne Kulissen-Hintergund auf der Handy-Selfie-Filmaufnahme in einen Wolkenhimmel. Oder man kann virtuell in den Studios von „Sturm der Liebe“ herumlaufen.
Insgesamt hat sich die Ausstellung „Bavaria Film - One Hundred Years in Motion“ vom reinen Erlebniswelt-Charakter mit Teenie-Schwerpunkt verabschiedet.
Mit einem Gang durch die Geschichte, der aber abwechslungsreich und interaktiv aufbereitet ist, spricht man wieder mehr das erwachsene Publikum an. Die muss man jetzt mit Kind und Kegel nur noch Richtung Grünwald locken.
Filmstadt Atelier, Geiselgasteig (Bavaria Filmplatz, Tram 25),
9 – 18 Uhr, 13 / 11 Euro.
Die gesamte Filmstadt (inklusive Atelier, Filmtour und 4 D Kino: 27,50 / 22 Euro