"Pan" in der AZ-Kritik
Gefühllose Daueranimation: Joe Wright verfilmt kalt und fahrig die Geschichte von Peter Pan als Traumausbruch aus einem Waisenhaus
Hollywood verlässt sich fast nur noch große Marken, wenn es viel Geld in die Hand nimmt. Heraus kommen zwanghafte Fortsetzungs-Flüche wie die der Karibik. Auch der über hundertjährige ewige Junge Peter Pan ist fast schon Weltkulturerbe und durfte schon zig Mal Pirat spielen im Nimmerland Hollywood.
2004 suchte Hollywood noch zusätzlich den psychologischen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Fantasie-Romans mit Johnny Depp als der Autor James Matthew Barrie: „Wenn Träume fliegen lernen – Finding Neverland“.
Und jetzt? Für „Pan“ bekam der britische Regisseur Joe Wright 150 Millionen Dollar in die Hand, um eine neue, alte Geschichte zu erzählen: Die Hintergrundgeschichte des 12-jährigen Peter, der hier ein Waisenjunge in einem nasskalten, dauer-dunklen Jack-the-Ripper-London ist und wie Moses in einem Körbchen vor die Tür eines Waisenhauses gelegt worden war.
Der Ansatz des Filmes ist dabei auch psychologisch: Der nette, freche Junge ist mit seinem Freund und anderen Waisenhäuslern eingesperrt von unbarmherzigen Schwestern. Aber er möchte wissen, wer seine Mutter ist und begibt sich detektivisch auf eine reale Abenteuer-Erkundungstour in die Archive des Hauses.
Zur Spannungssteigerung ist diese Londoner Handlung in die bedrohlichen nächtlichen „Blitz“-Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg versetzt. Und hier gelingt dem Film durchaus eine Mischung aus Realismus und einem kindlichen Blickwinkel, der die Wirklichkeit mit kindlicher Phantasie leicht surreal einfärben kann.
Und nächtlich träumt sich Peter aus der tristen Realität endgültig weg und betritt so – nach 45 Filmminuten – das märchenhafte Nimmerland. Und hier beginnt ein filmisches Desaster. Joe Wright hat schon mit wunderbaren Filmen („Abbitte“, „Stolz und Vorurteil“, „Anna Karenina“) bewiesen, dass er in seinen Interpretationen spielerisch und ernsthaft psychologisch zugleich sein kann. Aber in Nimmerland wird alles erstickt.
Der digitaler Aufwand ist groß, die Geschichte zusammengeschustert
In einer ausgefeilten 3D-Animation sehen wir Piratenschiffe fliegen, verflüssigen sich terminator-bekannt Figuren. Digitale Meerjungfrauen gleiten durchs Wasser, wir durchsausen avatarartige Dschungellandschaften mit Mini-Feen-Schwärmen, um dann doch wieder in einem theaterkulissenhaften Wilden-Dorf zu landen. Das ist politisch korrekt und stereotyp vielrassig. Hier gibt es Kampf-Action, die wiederum familienunterhaltend kindgerecht sein muss und so oft unfreiwillig lächerlich wirkt.
Und wenn Pan dann auf die durchsichtige geisterfeenhafte Erscheinung seiner Mutter trifft, ist das unfassbar kitschig, aber ohne jede Rührung. All das überfrachtete Handlungsgewirr erzeugt aber keine Spannung, sondern Langeweile im überanimierten und überdrehten. Auch wurden Figurenkonstellationen des Originals grob und unnötig verändert.
Und: Es fehlt in Nimmerland an glaubhaften Gefühlen, keine der Figuren entwickelt Charakter. Alle bleiben Schießbuden-Figuren, von denen der hier für die Handlung völlig überflüssige Captain Hook (Garrett Hedlund) so dilettantisch spielt, dass es fast wehtut. Der böse Gegenspieler ist in dieser „Pan“-Version Piratenkapitän Blackbeard, dem auch Hugh Jackman unter seiner Maske, Perücke und angeklebtem Conquistadoren-Bärtchen nichts Diabolisches geben kann, auch wenn Mad-Max-artige Diktator-Ansprachen versucht werden.
Vielleicht hat man bei alledem auch auf eine Altersfreigabe von 6-Jahren geschielt, die die eigentlich fantastische Traum- und Alptraum-Geschichte so langweilig verharmlost.
Kino: Münchner Freiheit (3D), Cinemaxx, Mathäser (auch 3D), Museum Lichtspiele (OV) R: Joe Wright (GB / USA, 100 Min.)