Kritik

"Oskars Kleid" mit Florian David Fitz: Der ganz normale "Genderquatsch"

"Oskars Kleid" ist eine ernsthafte, etwas pädagogisch überladene Komödie zur Frage der Existenz im falschen Körper.
von  Margret Köhler
Florian David Fitz schrieb das Drehbuch und spielt den Vater: hier mit Erna und Oskar (rechts: Laurí).
Florian David Fitz schrieb das Drehbuch und spielt den Vater: hier mit Erna und Oskar (rechts: Laurí). © Warner Bros.

Vorbei die schöne Zeiten der scheinbar heilen Familie. An die erinnern nur noch Aufnahmen von Weihnachten und sommerlichen Gartenfesten und die schaut der geschiedene Polizist Ben auch wehmütig an.

Ein Kind auf der Suche nach dem wahren Ich

Zum Müsli genehmigt er sich schon morgens ein Bier und hängt lustlos im Job herum, die Bemerkung seines Kollegen (Kida Khodr Ramadan herrlich in seiner trockenen und stoischen Art), er sehe "Scheiße aus", juckt ihn nicht.

Aber ihm fehlen vor allem seine beiden Kinder. Als seine vom neuen spanischen Freund schwangere Ex ins Krankenhaus muss, fährt er in deren Wohnung, schnappt sich seinen Sohn Oskar, der im gelben Sommerkleid auf der Treppe steht, und sein Töchterchen Erna und düst mit ihnen von dannen. Kompliziert wird es, als Oskar darauf besteht, Lilli zu heißen und weiterhin in Kleidern herumläuft auf der Suche nach dem wahren Ich. Für den Papa nicht nachvollziehbar.

Fitz spielt den überforderten Vater, der sich an seine konventionellen Werte klammert

Das Drehbuch zum aktuellen Thema Trans-Kinder schrieb Florian David Fitz, inspiriert wurde er für das Thema beim Blättern in der Zeitschrift "Emma", wo ein Vater mit seinem Sohn von hinten im Kleid fotografiert waren. Er übernahm auch gleich die Rolle des überforderten und nicht immer sympathischen Vaters, der mit Diversität wenig anfangen kann. Kein Strahlemann, sondern ein Sturkopf, der nichts von "Genderquatsch" hält, sich an seine konventionellen Werte klammert.

"Ich glaube, ihr Sohn könnte ein Mädchen sein"

Seine Lebensweisheit: Ein richtiger Kerl haut in einer Schlägerei als erster drauf, damit der andere keine Chance hat. Als der Kinderpsychologe ihm sagt, Oskar sei nicht schwul, ist er erleichtert. Bei der Diagnose "Ich glaube, ihr Sohn könnte ein Mädchen sein" rastet er aus.

Ein Problemfeld jagt das nächste

Die sicherlich mit den besten Absichten von Hüseyin Tabak ("Gipsy Queen") inszenierte Geschichte soll Vorurteile entkräften, das Recht auf Selbstbestimmung bei Kindern unterstreichen, die unter ihrem biologischen Geschlecht leiden.

Aber es wird alles in den Film gepackt, was derzeit in der Luft liegt: von der Kritik an traditioneller Rollenverteilung über den harten Polizei-Alltag, Klima-Aktivismus und toxische Männlichkeit bis hin zum bemühten Vorwurf des Antisemitismus durch Bens Vater (Burghart Klaußner), der sich von irgendjemand immer beleidigt fühlt und es seinem Sohn nicht verzeiht, als Jude im deutschen Staatsdienst zu stehen. Natürlich darf auch die strenge Dame vom Jugendamt nicht fehlen. Ein Problemfeld jagt das nächste.

"Vergnüglich und real" – nur bedingt

Fitz entwickelt die Handlung aus der Perspektive des Erwachsenen, der Null-Ahnung von Transgender hat und von einer älteren Transfrau mütterlich aufgeklärt wird. Damit alles stimmt, hat sich Fitz bei der Vorbereitung mit Betroffenen getroffen, Angehörigen wie Eltern, Geschwistern und Partnern.

Die Idee, das komplexe Thema "vergnüglich und real" aufzugreifen, gelingt nur bedingt. Zu sehr stört der pädagogische Impetus aufzuzeigen, welche Schwierigkeiten sich für eine Familie auftun, wenn sich das Kind im falschen Körper fühlt. Etwas mehr Florett statt Holzhammer bei der Wandlung vom Saulus zum Paulus des Mannes hätte dem für ein größeres Publikum konzipierten Film gut getan.

Phänomenal spielt die inzwischen elfjährige Laurí, die Oskar/Lilli bewegend darstellt und der Fitz passend viel Raum lässt. Und die Frage, was tolerieren wir, was akzeptieren wir, was ist überhaupt "normal" wird am Ende mit einem schönen und sehr versöhnlichen Kniff gelöst.


K: ABC, Sendlinger Tor, Solln, Rio, Mathäser, Leopold, Rottmann
R: Hüseyin Tabak (D, 102 Min.)

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