Oscar-Nacht – und ein Produzent aus München mittendrin: Was ihn besonders mitgerissen hat
Der Oscar für den "Besten internationalen Film" ging am Sonntag an einen anderen Film, aber gewonnen hatte der Münchner Produzent Ingo Fliess ohnehin schon längst: Mit dem Film "Das Lehrerzimmer" waren er und Regisseur Ilker Çatak für den wichtigsten Filmpreis nominiert worden – eine Ehre, die nur äußerst wenigen deutschen Filmschaffenden zuteil wird.
Und so war Ingo Fliess am Sonntag zu der glamourösesten Veranstaltung der Welt eingeladen: der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Hollywood. In der AZ berichtet er von seinem Abend.
AZ: Herr Fliess, wie ist Ihre Reaktion auf den Ausgang der Oscar-Verleihung?
INGO FLIESS: Mit "The Zone of Interest" hat der haushohe Favorit gewonnen – und das ist auch gut so. Das ist ein extrem radikal gedachter und gemachter Film. Ein wirkliches Meisterwerk und ein Film, den wir uns aus Deutschland heraus nie zu machen getraut haben.
Produzent aus München: Wie Ingo Fliess die Oscar-Verleihung erlebte
Ein Film über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Familie.
Ich habe den allergrößten Respekt vor dieser Arbeit. Wir haben geahnt, dass wir gegen diesen starken Mitbewerber nicht gewinnen können. Aber wir sind sowieso Gewinner. Man muss sich vergegenwärtigen: Hundert Filme wurden eingereicht, 15 kamen auf die Shortlist und fünf wurden nominiert – und wir waren darunter mit unserem Film. Wir sind von der Entwicklung des letzten Jahres komplett überwältigt. Wir haben Großes erreicht mit dem Film, viel mehr als wir jemals zu hoffen wagten.
Wie war Ihr Abend im Dolby Theatre in Los Angeles?
Die Oscar-Verleihung war hinreißend, handwerklich-dramaturgisch beeindruckend und textlich wahnsinnig scharf, doppelbödig und witzig. Der Rhythmus war toll, es gab lyrische Passagen, dann war es wieder ganz schnell, alles total abwechslungsreich. Insgesamt ist das ein Riesenfest des Kinos, bei dem man das Gefühl hat: Der Raum vibriert vor lauter Leuten, die das Kino lieben, die dafür leben und alles geben. Es war mitreißend und hat sich unglaublich toll angefühlt.
Welche Momente haben Sie besonders fasziniert?
Ich war absolut hingerissen vom Auftritt von Billie Eilish. Das hatte in diesem riesigen Dolby Theater eine Intimität, die mich zutiefst berührt hat. Ich finde den Song "What Was I Made For" absolut toll, sie haben ihn in dieser kammermusikalischen Weise aufgeführt, und dann öffnet sich plötzlich der Screen über der Bühne und man sieht dahinter das Showorchester sitzen und live begleiten - umwerfend. Ebenso umwerfend war Ryan Goslings Auftritt mit "I'm Just Ken". Das war vom Production Value so irre – und dann spielt am Ende das Gitarrensolo natürlich: Slash! Wer denn sonst? Besonders toll fand ich auch die Rede von Emma Stone, die einen Oscar für meinen persönlichen Favoriten "Poor Things" bekommen hat.
"Das Lehrerzimmer"-Produzent Ingo Fliess: "Freue mich auf das Fahrradfahren in München"
Wovon hat sie gesprochen?
Sie hat immer wieder darauf hingewiesen, wie sehr Film eine Gemeinschaftsarbeit ist und dass es darum geht, mit Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten. Das finde ich auch für unsere Arbeit so wichtig. Ilker Çatak, Kamerafrau Judith Kaufmann, Szenenbildnerin Zazie Knepper, Kostümbildner Christian Röhrs, die Editorin Gesa Jäger und ich: Wir arbeiten jetzt schon wieder am nächsten Film, weil wir gut miteinander arbeiten können. Das ist so wesentlich.
Jetzt geht's für Sie heim nach München. Mit welchen Gefühlen?
Eine sehr lange Phase der Auswertung von "Das Lehrerzimmer" geht zu Ende, gestern hat sie ihren fulminanten Schlusspunkt gefunden, und ich bin auch froh, dass es geschafft ist. Andererseits: Der Film ist gerade in Frankreich gestartet und hatte am ersten Wochenende 70.000 Zuschauer, mehr als doppelt so viele als am ersten Wochenende in Deutschland. Die Reise mit "Das Lehrerzimmer" geht also weiter.
Hätten Sie Ihre Reise nach Hollywood gern verlängert?
Ich war jetzt eine gute Woche hier. Ich liebe es. Und gleichzeitig freue ich mich auf die kurzen Wege und auf das Fahrradfahren in München.
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