Kritik

"Orphea in Love": Ein bisschen Kitsch darf schon sein

Axel Ranischs zauberhafter Musikfilm "Orphea in Love" im Nationaltheater.
von  Robert Braunmüller
Mirjam Mesak und Guido Badalamenti in "Orphea in Love".
Mirjam Mesak und Guido Badalamenti in "Orphea in Love". © Verleih/Filmfest

Die womöglich ein wenig überhitzte Liebe der Münchner Opernintendanten für den eigenwilligen Regisseur Axel Ranisch hat sich von Nikolaus Bachler auf Serge Dorny übertragen. Und sie trägt Früchte: Am Samstag wurde das Nationaltheater zum Kino – für die Premiere von Ranischs neuem Film "Orphea in Love". Und der ist wirklich eine besondere Preziose der schwierigen Form des Opern- und Musikfilms.

Erzählt wird die Geschichte einer jungen Sängerin (Mirjam Mesak), die in einem Call-Center arbeitet. Sie verliebt sich in einen Dieb, der bei einem Autounfall stirbt. Wie Orpheus darf sie ihn aus der Unterwelt der eigenen Psyche zurückholen – und wie bei Gluck gibt es ein Happy End, das allerdings längst nicht so schal wirkt wie in der Oper.

Axel Ranisch, die Sängerdarsteller Galeano Salas und Mirjam Mesak, mit Serge Dorny (v. l.).
Axel Ranisch, die Sängerdarsteller Galeano Salas und Mirjam Mesak, mit Serge Dorny (v. l.). © Filmfest München / Bojan Ritan

Drehorte rund ums Prinzregententheater und den Friedensengel

Das ist eine beachtliche Leistung. Ein weiterer Reiz für den hiesigen Zuschauer sind die Drehorte rund ums Prinzregententheater und den Friedensengel, dessen Fahrradtunnel offenbar direkt in die Unterwelt führt. Das jugendstilige Innere des Opernhauses steht in Vorpommern, was aber bei einem nicht realistischen, poetisch-fantastischem Film nicht im Geringsten stört.

Die Musik setzt wie in der guten alten Oper immer dann ein, wenn die Zeit stillsteht, die Figuren in ihr Inneres schauen und in die Welt des Traums entfliehen. Und wie bei Gluck wird auch getanzt – in den von Moritz Ostruschnjak in der Anlehnung an klassische Tanzfilme choreografierten Szenen rund um den Kleinkriminellen Kolja (großartig: Guido Badalamenti aus der Compagnie des Gärtnerplatztheaters).

"Orphea in Love": Zärtliche Hommage an die Oper und an die Liebe

Ein besonderer Reiz sind die Haupt- und Nebendarsteller. Mirjam Mesak strahlt nur so vor optimistischer Lebenszugewandtheit und liebreizender Naivität. Und sie singt auch außerdem ganz hervorragend Arien aus "La Wally", "Madama Butterfly" und "La traviata". Serge Dorny spielt einen Intendanten – hinter einer leichten Maske von Ironie. Heiko Pinkowski herrscht als dämonischer Agent über die Unterwelt des Kulturbetriebs, Ursula Werner regiert einen anderen Teil als lüsterne alte Gaunerin in der Brache verlassener Eisenbahnanlagen. Außerdem gibt es noch einen äußerlich ein wenig an Ranisch angelehnten Opernregisseur, der eine grauenhafte Regietheater-"Traviata" verbricht, die er mit dem wunderbaren Spruch "Das ist meine frei künstlerische Entscheidung" verteidigt.

Die eine oder andere Länge sei Ranisch verziehen, weil ihm etwas gelungen ist, was im Opernhaus fast nie klappt: eine halbironische und unpeinliche Wolfsschlucht aus dem "Freischütz". Ob der Regisseur die ganze Weber-Oper schaffen würde? Hoffen wir lieber, dass er es bleiben lässt, denn das Kino und der Umgang mit schrägen Typen ist sein eigentliches Metier. "Orphea in Love" ist eine zärtliche Hommage an die Oper und an die Liebe. Dafür muss man ihn lieben – einschließlich seiner Kitschmomente. Und die wunderbare Mirjam Mesak sowieso.


Der Film kommt am 30. März 2023 in die Kinos

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