"Nur Gott kann mich richten" - Besser als es das TV erlaubt

Ein harter Genrethriller made in Germany: "Nur Gott kann mich richten" mit Moritz Bleibtreu.
Florian Koch |
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Ein schwerer Junge: Aber Ricky (Moritz Bleibtreu) kümmert sich um seinen Vater (Peter Simonischek).
Matthias Bolliger / Constantin Film Ein schwerer Junge: Aber Ricky (Moritz Bleibtreu) kümmert sich um seinen Vater (Peter Simonischek).

Mutlos, kraftlos, inkonsequent, oberflächlich, weichgespült. Die nicht immer unberechtigte Kritik am deutschen Film gleicht einer Endlosschleife – gerade, wenn es ums Genrekino geht.

Umso mehr sticht deshalb "Nur Gott kann mich richten" heraus. Denn Özgür Yildirims Gangsterfilm ist weder ein überambitioniertes Nischenprojekt eines Filmhochschülers, noch ein konfektionierter Abklatsch eines Hollywood-Hits der Marke "Heat". Zwar wird das an Originalschauplätzen eingefangene Frankfurter Drogen-Milieu schonungslos seziert, wimmelt es vor schäbigen Bars, Spielhallen, Stripclubs mit entsprechend verhauenen Typen, die jeden Satz mit "Digger" beginnen, doch tummeln sich neben glaubwürdigen Laiendarstellern bis in Minirollen eben auch zugkräftige deutsche Stars wie Alexandra Maria Lara.

So bleibt am Ende ein nihilistisch-brutaler Reißer fernab jeder TV-Krimi-Gemütlichkeit, dem es dank seiner Gehetztheit und unstimmiger Wendungen aber an der ganz großen Klasse fehlt – ein Zwiespalt, den bereits die Besetzung der Hauptfigur kennzeichnet. Mit Testosteron bis zum Anschlag gibt Moritz Bleibtreu engagiert, aber auch etwas überdreht diesen Ricky, einen Kleinganoven mit Kruzifix auf dem Rücken und beladen mit jeder Menge Schuldgefühle.

Ein lukrativer Drogen-Übergabedeal wartet auf den Protagonisten

Nach fünf Jahren Knast will sich dieser Tatmensch im Ausland niederlassen, dem kriminellen Sog entfliehen. Doch wie es das Genreklischee will, wartet noch ein lukrativer Auftrag auf ihn: ein Drogen-Übergabedeal, der laut Kumpel Latif (Kida Khodr Ramadan), Typ väterlicher Kuschel-Ganove, eigentlich gar nicht schief gehen kann. Eigentlich.

Fast eine Dreiviertelstunde braucht Yildirim, aufgefallen durch die starke Milieustudie "Chiko", um die Handlungsfäden zusammenzuziehen, die Motive seiner Verliertypen darzulegen. Hier fragt man sich, ob es nicht besser gewesen wäre, aus dem durchaus mitreißenden Stoff eine knallharte Serie wie etwa "4 Blocks" zu machen. Denn viele Hintergründe bleiben wage, so wie Rickys verpfuschte Vergangenheit oder sein gestörtes Verhältnis zum dementen Vater (Peter Simonischek).

Immerhin kulminieren die Tragik der Polizistin Diana (Birgit Minichmayr), die einfach nicht das Geld aufbringt, um eine Organtransplantation für ihre kranke Tochter zu beschleunigen und die Abwärtsspiele von Ricky und seinem jüngeren "Mitgehangen, mitgefangen"-Bruder Rafael (Edin Hasanovic) in einer brillant inszenierten Schlüsselszene: eine nächtliche Polizeikontrolle, die völlig aus den Fugen gerät und eines konsequent klarmacht: Die allesamt verkorksten Figuren werden ihre Ziele nicht erreichen – und auch noch Unschuldige mit in den Abgrund ziehen.


Kino: Cinemaxx, Mathäser, Monopol, Münchner Freiheit; Regie: Özgür Yildirim (D, 100 Min.)

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