Nicolas Cage brilliert in "Dream Scenario"

und landet im Shitstorm in einer beißenden Satire über die dunklen Auswüchse der Sozialen Netzwerke
von  Florian Koch
Der Professor mit den Scherenhänden: Nicolas Cage als wandlunsgfähiges Internet-Phänomen.
Der Professor mit den Scherenhänden: Nicolas Cage als wandlunsgfähiges Internet-Phänomen. © DCM

Vor 25 Jahren gelang Stefan Raab sein einziger Nummer-eins-Hit. Eine skurrile Countrynummer, deren Witz aus dem im vogtländischen Dialekt ausgesprochenen Wort "Maschen-Draht-Zaun" herrührte. Raab machte sich mit dem zusammengeschnipselten Song über einen TV-Auftritt von Regina Zindler lustig. Den unfreiwilligen Ruhm empfand die Sächsin weniger amüsant. Der Druck der Öffentlichkeit führte bei ihr am Ende zu psychischen Problemen.

Eine moderne Regina Zindler verkörpert Nicolas Cage nun in der sehenswerten Social-Media-Satire "Dream Scenario". Für die Rolle des schluffigen College-Professors Paul Matthews legte sich der Oscarpreisträger nicht nur beige Opa-Wollpullover, sondern auch einen wenig schmeichelhaften Haarkranz zu.

Die äußere Verwandlung des schillernden Schauspielers geht mit einem zurückhaltenden Mienenspiel einher, das geschickt die Erwartungshaltung der Zuschauer unterwandert. Schließlich machte sich die Internet-Community in sogenannten "Memes" zuletzt vor allem über seine manischen Film-Ausraster lustig, was den einstigen Actionstar ("The Rock") dann auch kränkte.

Stummer Passant im Unterbewusstsein ihm fremder Personen
In "Dream Scenario" verarbeitet Cage nun seinen unfreiwilligen Internet-Ruhm auf geniale Weise. Seine Langweiler-Figur wird im Nu zu einer internationalen Berühmtheit, als sie - wie ein ungeklärtes Naturphänomen - in den Träumen anderer Menschen auftaucht.

Der Clou dabei: Professor Paul Matthews nimmt hier nicht aktiv teil, sondern wandelt wie ein stummer Passant durch das Unterbewusstsein der ihm fremden Personen. Die Folgen in der Realität haben es dann aber in sich. Plötzlich füllen sich Pauls Vorlesungen, wird die Werbeindustrie auf ihn, den Mann ohne besondere Eigenschaften, aufmerksam. Selbst die eigene Familie scheint sich mehr für ihn zu interessieren, was dem Selbstbewusstsein des Durchschnitts-Wissenschaftlers durchaus schmeichelt.

Aber was passiert, wenn der süßlich mitreißende Online-Sturm, der Candystorm, sich dreht? Das zeigt der Film ganz drastisch, mit Anleihen an das Horrorkino, als Paul plötzlich als Aggressor, ja sogar als Triebtäter in den Träumen der anderen auftaucht. Sofort wird das Internetphänomen Paul gemieden, beleidigt, verachtet und darf selbst in seinem Stammlokal nicht mehr speisen.

Vom Shitstorm bis zur Cancel Culture - die Brutalität und Schnelllebigkeit der Sozialen Netzwerke zeigt der zeitgeistig smarte Film ganz ohne moralischen Zeigefinger, dafür mit tiefschwarzem Humor und irritierenden Bildkompositionen auf.

Im Mittelpunkt des Orkans steht dabei immer das Opfer, Paul, der wie einst Regina Zindler gar nicht versteht, ja verstehen kann, was über ihn gerade hereinbricht. Und ganz nebenbei beweist Nicolas Cage mit der wohl subtilsten Leistung in seiner Karriere, dass er zu weit mehr taugt als zum doofen Internet-Lacher.

Kino: City, Monopol, Breitwand Gauting
R: Kristoffer Borgli (USA, 102 Min.)

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