Neuverfilmung von "Dune": Die Wüste lebt

Denis Villeneuve gelingt mit der Neuverfilmung von "Dune" ein bombastischer Science-Fiction-Film.
von  Florian Koch
Gurney Halleck (Josh Brolin) hilft dem Prinzen Paul (Timothée Chalamet) bei der Flucht vor den Sandwürmern.
Gurney Halleck (Josh Brolin) hilft dem Prinzen Paul (Timothée Chalamet) bei der Flucht vor den Sandwürmern. © Warner Brothers

Eine vielschichtige fremde Welt, ein eigenes Vokabular, dazu noch politische Intrigenspiele, religiös-mystische Untertöne und eine aufregende Heldenreise. "Dune", der 1965 erschienene Roman von Frank Herbert, umfasst bis heute alles, was Science-Fiction im besten Fall zu bieten hat.

Ambitionierte Filmemacher stürzten an diesem Mount Everest des Genres regelmäßig ab. Erst in den 70ern der glühende chilenische Bilderstürmer Alejandro Jodorowsky, der immerhin solch kreative Schwergewichte wie Orson Welles, Salvador Dalí oder die Band Pink Floyd für eine Adaption begeistern konnte, Geldgeber aber mit seiner psychedelischen Vision abschreckte. Und schließlich David Lynch, der sich bis heute von seiner 1984 gefloppten, konfus-kuriosen "Dune"-Adaption distanziert. Nun also Denis Villeneuve.

Wird ein zweiter Teil von "Dune" gedreht?

Der Kanadier gilt seit seinen preisgekrönten Science-Fiction-Filmen "Arrival" und "Blade Runner 2049" als Genre-Größe, als weltweit verehrter Bruder im Geiste von Christopher Nolan. Beide sind Verfechter des Überwältigungskinos, Effekte-Gurus, die Anspruch und Spektakel gekonnt ausbalancieren und für die kommerzielle Garnitur auch auf Stars nicht verzichten wollen.

Villeneuve und Nolan gehören auch zu den wenigen Kreativen, die sich klar vom Streaming-Hype distanzieren und den Kinobesuch zum Event stilisieren. Und es gehört auch wirklich einiges an (Über-)Mut dazu, in Zeiten einer Pandemie 250 Millionen Dollar allein darauf zu verwenden, wie im Fall von "Dune" nur die erste Hälfte der Vorlage zu inszenieren. Und diese filmische Ouvertüre dann frech mit dem Satz zu beenden: "Das ist nur der Anfang" - ohne dass von Studioseite überhaupt entschieden wurde, dass es auch einen zweiten Teil gibt.

Villeneuve gießt ein gewaltiges filmisches Fundament

Umso verständlicher Villeneuves Ärger, dass in den USA der Film parallel zum Kinostart auch auf der Streamingplattform HBO Max zu sehen ist. Denn eins ist bereits bei den ersten epischen Weitwinkel-Aufnahmen und dem dröhnenden "Da kommt was auf uns zu"-Hans-Zimmer-Sound klar: Hier soll der Zuschauer nicht mit feinsinnigen Dialogen und vielschichtigen Charakteren geködert werden, sondern im dunklen Kinosaal ganz im Stil solcher Vorbilder wie "Herr der Ringe" oder früher vielleicht "Lawrence von Arabien" in eine andere Welt abtauchen.

Zweieinhalb Stunden lang betreibt Villeneuve dafür ein aufwendiges "World Building"; wie man die Konstruktion einer imaginären Film-Welt heute gerne bezeichnet. Für sein Ansinnen gießt Villeneuve ein gewaltiges filmisches Fundament aus archetypischen Figuren, Herrschern und Untergebenen zusammen und weidet sich minutenlang in technischen Errungenschaften wie Raum-Anzügen, die Ausscheidungen wieder zu Wasser recyceln oder Ornithoptern, zierliche Flugmaschinen, die wie Libellen über Berge aus Sand surren.

Fans des Genres wird diese ungewöhnlich detailverliebte, fast wissenschaftliche Herangehensweise begeistern. Die eigentliche filmische Bergbesteigung, sprich das Auserzählen der großen inneren und äußeren "Dune"-Konflikte, soll aber erst im zweiten Teil angegangen werden.

Die Welt ist abhängig von einem Rohstoff

Und so tasten wir uns erst einmal mit dem wie so oft im Science-Fiction-Genre "Auserwählten", dem vom ewigen Dandy Timothée Chalamet überzeugend verunsichert porträtierten Jüngelchen Paul Atreidis in diese Welt anno 10192 vor. Eine Welt, die von Rohstoffen noch abhängiger ist als die unsere. Oder besser dem einen Rohstoff Spice, mit dem man in die Zukunft blicken oder Raumschiffe steuern kann.

Eine fein glitzernde, süchtig machende Droge ist dieses Spice. Abbaubar nur auf dem Wüstenplaneten Arrakis, auf dem sich bis zu 400 Meter lange, alles Leben verschlingende Sandwürmer durch die Erde wühlen. Aber noch jemand ist hier zu Hause, das Urvolk, die Fremen (darunter Javier Bardem), in unterirdischen Höhlen, millionenfach, mit blau schimmernden, zornigen Augen. Eine eigene an Beduinen erinnernde Kultur, unterjocht von den aufgeschwemmten Harkonnen (an der Spitze im Ekel-Fatsuit Stellan Skarsgård), die per Dekret ihren gnadenlosen Raubbau des Spice aber aufgeben müssen.

Nachfolger ist der gemäßigte Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) und dessen Volk (darunter Josh Brolin und Jason Momoa als Krieger und Rebecca Ferguson als seine hexenhafte Frau). Sein mit telepathischen Kräften ausgestatteter Sohn, besagter Paul, leidet unter apokalyptischen Visionen, spürt den Untergang seines Stammes, aber auch eine vage Hoffnung, eine Liebe, irgendwo in der Wüste, in der Person der Fremin Chani (Zendaya). Viel Zeit lässt sich Villeneuve, um düster, ganz ironiefrei, mit ästhetischen Anleihen bei "Star Wars" oder auch "Game of Thrones" von der Ausbeutung, der Kolonisierung fremder Kulturen zu erzählen. Heutig wirken auch die Grabenkämpfe der Herrschenden, die scheinheiligen Loyalitäts-Bekundungen.

Bei aller Werktreue geht die Komplexität von Herberts Vorlage im Treibsand der bombastischen Bilder irgendwann unter. Den Science-Fiction-Gipfel erklommen hat Villeneuve mit seiner berauschenden Neuverfilmung dennoch.

Kinos: ARRI, Cinema (OV), Gloria, Leopold, Mathäser, Monopol, Museum Lichtspiele (OV), CinemaxX, Royal,  Regie: Denis Villeneuve (USA, 155 Min.)

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