Neuer Seidlfilm "Rimini": Das kalte Paradies

Ulrich Seidl zeigt in "Rimini" wieder die alltäglichen Abgründe – diesmal anhand eines abgehalfterten Entertainers.
von  Mathias Pfeiffer
Gegen alle Widrigkeiten und glitzernd gibt Richie Bravo (Michael Thomas) seine Schlager-Klassiker zum Besten.
Gegen alle Widrigkeiten und glitzernd gibt Richie Bravo (Michael Thomas) seine Schlager-Klassiker zum Besten. © Neue Visionen

Es ist schwierig, über diesen Film zu sprechen. Die Vorwürfe gegen Ulrich Seidl anlässlich seines Werkes "Sparta" überschatten auch die Rezeption von "Rimini". Anscheinend soll der Regisseur bei den Dreharbeiten zu Ersterem Kinder ohne deren Wissen und das der Eltern Szenen ausgesetzt haben, in denen Nacktheit, Alkoholismus und Gewalt eine tragende Rolle spielen. Ulrich Seidl aber hat in einem Interview viele Vorwürfe ausgeräumt. Und "Rimini" ist ohnehin ein anderes, eigenständiges Werk.

Ein abgehalfterter Schlagersänger mit Nebenverdienst 

Wie man es von Seidlfilmen gewohnt ist, regiert hier die Tristesse. Die italienische Adriastadt präsentiert sich nicht als sonniges Urlaubsparadies, sondern als verregneter, kalter Moloch. Hier geht Richie Bravo (Michael Thomas) dem nach, was er eine Karriere nennt. Als abgehalfterter Schlagersänger unterhält er allabendlich Senioren mit schmalzigen Liebesliedern. Als Nebenverdienst geht er mit seinen Verehrerinnen auch schon mal ins Bett. Wie sollte er auch ansonsten unter anderem seinen maßlosen Alkoholkonsum finanzieren?

Nun ist es schon längst kein Geheimnis mehr, dass die Welt des Schlagers oft aus leeren Versprechungen und eskapistischen Fantasien besteht. Aber der Nachdruck, mit dem "Rimini" das verdeutlicht, zieht einen bei aller Abgeklärtheit in seinen Bann. Wenn Bravo in seinen unmöglichen Anzügen Schmierenkomödie abzieht, weiß man nicht, ob man lachen, weinen oder ungläubig den Kopf schütteln soll.

Die Fehler der Vergangenheit 

Dann jedoch gerät das wackelige Konstrukt seines Lebens vollends aus den Fugen. Plötzlich steht seine Tochter Tessa (Tessa Göttlicher) vor ihm und verlangt den unterschlagenen Unterhalt der letzten zwanzig Jahre. Der Entertainer gerät nun nicht nur finanziell, sondern auch menschlich ins Straucheln. Beim Versuch, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, ist er darauf angewiesen, sich in neue dreckige Machenschaften zu stürzen. Und bei denen macht er auch vor der Naivität der Fans oder dem dementen Vater (Hans-Michael Rehberg in seiner letzten Rolle) nicht Halt.

Mal tragikomisch, mal nur tragisch

Insgesamt ist "Rimini" weniger niederschmetternd als andere von Seidls Filmen. Zwischendurch tauchen immer herzliche Momente auf. Zudem kann man nicht leugnen, dass einem dieser Richie Bravo bei allem Widerlichen irgendwie auch sympathisch ist. Aber dann folgen wieder diese zutiefst unangenehmen Szenen, vor denen man gern die Augen verschließen würde. Einfach, weil sie zu wahr sind, um schön zu sein. "Rimini" bleibt ein guter Film, mal tragikomisch, mal nur tragisch.

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist ein gelungener Film natürlich auch keine Entschuldigung und auch die bisherigen Ergebnisse der "Methode Seidl" – radikales Aussetzen der Schauspieler in Extremsituationen – stehen in einem neuen Licht.

Sich in jedem Fall auf den Film "Rimini" - um den es im Grunde bei der ganzen Diskussion nicht geht - einzulassen, sollte man wagen.


Kino: Arena, City, Maxim
Ulrich Seidl (A,D, 115 Min.)

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