Neu im Kino: "Maudie" in der AZ-Filmkritik
Das ganze Leben ist in einem Bilderrahmen - Direkt vor uns." So sagt es die beeindruckende Folk-Art-Künstlerin Maud Lewis in dem zutiefst berührenden Biopic "Maudie" der irischen Regisseurin Aisling Walsh. Die bereits als Kind schwer an Arthritis erkrankte Künstlerin, die atemberaubend von Sally Hawkins verkörpert wird, ist in ihrem Heimatland Kanada zu Recht eine Berühmtheit. Ihre farbenfrohen, naiven Bilder verkaufte sie zeitlebens für ein paar Dollar, bis sogar Präsident Nixon ein Bild bei ihr bestellte.
Doch bis die tapfere junge Außenseiterin, deren Knochen von der schweren Krankheit zusehends deformiert wurden, auch nur ein einfaches, selbstbestimmtes Leben führen konnte, war es ein weiter Weg. Auf diese dramatisch-leise Entwicklungsgeschichte, die eng mit der schwierigen Liebe zu ihrem griesgrämigen, simpel gestrickten Lebensgefährten - einem Fisch-Hausierer - zusammenhing, konzentrieren sich Walsh und ihre Drehbuchautorin Sherry White.
Vom Regen in die Traufe
Kameramann Guy Godfree stimmt den Zuschauer von Beginn an mit poetischen Landschaftsaufnahmen auf das Werk von Lewis ein. Gedreht wurde in Neufundland, das aber die Heimat der Volkskünstlerin - Nova Scotia in Kanada in den 30er Jahren - darstellen soll.
Maud Lewis wird nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem kaltherzigen Bruder zu ihrer Tante Ida (Gabrielle Rose) abgeschoben, die an der Ostküste lebt. Doch die will die körperlich eingeschränkte und ein wenig wunderlich wirkende Maud auch nicht um sich haben. Die lebenslustige, junge Frau, die so gerne malt und nie nach ihrem Willen und ihren Wünschen gefragt wird, möchte aber sowieso nicht bei der Tante bleiben, sondern ein selbstbestimmtes Leben führen.
Kurzentschlossen bewirbt sie sich bei dem grantigen, alleinstehenden Everett (Ethan Hawke) als Haushaltshilfe. Doch eigentlich will auch der im Waisenhaus aufgewachsene Junggeselle keinen "Krüppel im Haus".
Oscar-Preisträger Ethan Hawke ("Boyhood") verkörpert diesen schwierigen Außenseiter, der wenig redet und zu Gewaltausbrüchen neigt. Der merkwürdigen, warmherzigen und von einem feinen Schalk beseelten Maud gelingt es, Everett zu überzeugen, es mit ihr zu versuchen. Anstandslos teilt sie das einzige Bett in dem winzigen Haus mit ihm. Das Zwei-Zimmer-Haus wird zum Sinnbild ihres gemeinsamen Lebens und ihrer Liebe werden.
Hinreißende Entwicklung der Hauptdarsteller
Denn Maud beginnt das düstere Haus mit ihrer lebensfrohen Malerei zu verändern, bemalt Treppen, Wände und Fensterscheiben. Mauds Art, die Welt zu sehen, verändert langsam den Blick ihres groben Arbeitgebers und späteren Lebensgefährten. Nachdem die zugezogene New Yorkerin Sandra (Kati Matchett) zufällig Mauds kleine Gemälde entdeckt und ihr begeistert abkauft, wird die Öffentlichkeit allmählich auf das Talent aufmerksam. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Beziehung des auf engstem Raum zusammenlebenden Pärchens.
Zuzuschauen, wie sich die Liebe zwischen diesen beiden Außenseitern gegen alle Widrigkeiten des Alltags mehr und mehr vertieft, treibt einem die Tränen in die Augen. Ob sie ihr zeigen könne, wie man malt, fragt Sandra einmal Maude. Das könne man niemandem beibringen, antwortet diese. Entweder man male oder man male nicht. Ebenso verhält es sich mit der Liebe, möchte man nach diesem Film ergänzen. So verstörend einfach ist das.
Kinos: Arri, Atelier, Rio sowie Arena (OmU)
Regie: Aisling Walsh (Can, Irl, 116 Min.)
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- Oscarpreisträger