Neu im Kino: "Das Löwenmädchen" - Anderssein und Selbstbefreiung
Die Regisseurin Vibke Idsøe macht aus dem gefeierten Roman einen Kinofilm, der berührt.
Bei Erscheinen von Erik Fosnes Hansens Roman "Das Löwenmädchen“ schwärmte die Presse, der Autor habe alles richtig gemacht. Aus der bizarren Geschichte eines Mädchens, das mit Ganzkörperbehaarung zur Welt kommt, einen glaubhaften Film herauszufiltern, ist dagegen gewagt. Die norwegische Regisseurin Vibeke Idsøe traute sich. Das Resultat ist ein sensibler, nie voyeuristischer Blick auf Anderssein, auf Einsamkeit und persönliche Kraft eines ausgegrenzten Menschen.
Für Bahnhofsvorsteher Gustav Arctander beginnt das Jahr 1912 nicht gut. Seine Frau stirbt bei der Geburt und den Anblick der behaarten Tochter kann er kaum ertragen. Er hofft, dass Eva das "Fell“ verlieren wird.
Doch die seltene Krankheit ist unheilbar, das Kind wächst mit einer liebevollen Ersatzmutter heran, wird aber abgeschottet, um sie zu schützen. Erst in der Schule lernt sie das Leben "draußen“ kennen. Auch wenn der Spott abklingt und das intelligente Mädchen nicht mehr gehänselt wird, bleibt es isoliert, schließt sich einem Wanderzirkus mit "Menschlichen Kuriositäten“ (Burghart Klaußner als Impresario) an und geht als junge Frau konsequent ihren Weg.
Ein Porträt Zwischen Traurigkeit und Lebenshunger
Überzeugend sind die drei Darstellerinnen in den verschiedenen Altersphasen: Aurora Lindseth Lokka, Mathilde Thomine Storm und Ida Ursin-Holm. Manchmal verwundert die schönfärberisch wirkende Handlung: Das Schlimmste sind ein paar Bösartigkeiten von Kindern und gewissenlose Ärzte. Vor allem die Sehnsucht nach Normalität lässt sie leiden.
Dass sie ihre Heimat in der Mathematik findet, an der Sorbonne studiert und als Wissenschaftlerin reüssiert, gleicht fast einem Märchen, wird aber als Selbstverständlichkeit erzählt. Bewegend ist die Beziehung zwischen dem Vater (Rolf Lassgård), der seine Gefühle unterdrückt, und der Tochter, die sich zurückgestoßen fühlt.
Wenn Eva nach seinem Tod entdeckt, dass er Zeichnungen nicht nur von Zügen, sondern heimlich auch von ihr gefertigt hat, wird ihr seine Liebe bewusst, ein Moment, in dem die leise Melancholie des Films neuem Mut und Widerstand weicht. In der Machart leider arg konventionell, balanciert das zärtliche Porträt zwischen herzzerreißender Traurigkeit und zitterndem Lebenshunger.
Kino: Atelier und Monopol
Buch und Regie: Vibke Idsøe
(Norwegen, 118 Min.)
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