Netflix-Serie "Bridgerton": Die Macht von Klatsch und Liebe

Edel-Trash zum Genießen: Die Serie "Bridgerton" bedient und hinterfragt die Lust am perfekten Schein.
Michael Stadler |
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Ob Daphne (Phoebe Dynevor) und der Duke of Hastings (Regé-Jean Page) trotz aller Hindernisse ihr Glück finden werden?
Ob Daphne (Phoebe Dynevor) und der Duke of Hastings (Regé-Jean Page) trotz aller Hindernisse ihr Glück finden werden? © Netflix

Wenn die Queen ein Urteil fällt, kann sie damit ein ganzes Leben vernichten - oder in glückliche Bahnen lenken. Dementsprechend ist die Spannung bei der versammelten Hofgesellschaft hoch, als Daphne, älteste Tochter der Familie Bridgerton, sich vor ihr präsentiert.

Die Herrscherin erhebt sich, geht zur knienden Daphne, bringt sie mit behandschuhter Hand dazu, Blick und Körper aufzurichten. "Makellos, meine Liebe!", befindet Queen Charlotte und küsst Daphne auf die Stirn. Und alle sind entzückt.

Am englischen Königinnenhof des Jahres 1813 hatten kleine Gesten und Worte noch viel Gewicht, so erzählt es zumindest die neue Netflix-Serie "Bridgerton". Das Sehen und Gesehen-Werden zwingt dabei alle dazu, an der eigenen Erscheinung ausgiebig zu schuften.

Oberflächliche Pracht wird hinterfragt

Bereits in der Pilotfolge werden die Mieder der Damen heftig festgezurrt, und immer wieder fängt die Kamera Blicke ein, neugierige, neidische, denn hier tobt ein arger Konkurrenzkampf: Der Heiratsmarkt hat begonnen, das heißt, bei den zahlreichen Bällen und Empfängen geht es nun vor allem darum, wer sich mit wem paaren wird.

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Womit sich der Bogen ins Heute der Dating-Portale und sozialen Medien schlagen lässt, wo das Ich sich ja auch ständig gedrungen fühlt, sich im besten Lichte zu zeigen. Nur, dass die Betrachter jetzt unbeobachtet auf ihre Bildschirme glotzen können, zum Beispiel eben auf diese Serie mit ihren vielen schönen Menschen. "Guilty pleasure" ist der Begriff für solches Entertainment, wobei die "Bridgerton"-Macher smart genug sind, die oberflächliche Pracht auch ein bisschen zu hinterfragen.

Männer waren im Bordell, Frauen hatten von Sex keine Ahnung

Denn während wie in den alten, durchaus fortschrittlichen Jane-Austen-Romanen das Heiraten den zentralen Sehnsuchtshorizont bildet (und das Kinderkriegen danach!), wird in "Bridgerton" doch bald offenbar, dass zwischen Frauen und Männern ein Ungleichgewicht herrscht, allein schon, was das Wissen um die "ehelichen Pflichten" angeht.

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Die Jungs durften sich bereits in den Bordellen austoben, um sexuelle Erfahrungen zu sammeln; die jungen Frauen hingegen haben keinen blassen Schimmer, was im Bett vor sich gehen wird. Selbst das Glück der Selbstbefriedigung ist ihnen fremd, wobei Daphne eines Tages davon erfährt, die Tür hinter sich feste zumacht und das mal ausprobiert.

Daphne wirkt in ihren Emanzipationsbestrebungen frisch

Wurde in früheren Historienschinken nach dem Beginn einer Sexszene höflich ausgeblendet, geht es in "Bridgerton" recht ausgiebig zur Sache. Gleichzeitig ruft die Serie alte Restriktionen noch mal auf, Standesdünkel und strikte Geschlechtervorstellungen, die es zu überwinden gilt. Beziehungsweise, es muss einiges verheimlicht werden: die Zuneigung eines Bridgerton-Sohnes zu einer Opernsängerin etwa oder das Interesse eines anderen Sohnes an einem Künstlerfreund, der libertinäre Partys feiert.

Solche und andere Konflikte haben aber ihr Verfallsdatum nicht überschritten: Daphne wirkt in ihren Emanzipationsbestrebungen ziemlich frisch, wenngleich sie klassische Prinzessinnen-Träume bedient.

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Das Thema Rassismus hebelt die Serie gleich von Anfang an aus: Die Queen ist eine "Person of Color", ihr Hof ganz selbstverständlich multikulturell. Tatsächlich findet sich in der Ahnen-Reihe der realen Queen Charlotte eine dunkelhäutige Vorfahrerin aus dem portugiesischen Königshause.

"Bridgerton": Das ist der funktionierende romantische Motor der Serie

Produzentin Shonda Rhimes hat zuvor schon bei Serien wie "Grey's Anatomy" und "Scandal" dafür gesorgt, dass die Ensembles divers sind. Mit ihrer Produktionsfirma "Shondaland" hat sie einen Langzeit-Deal mit Netflix und löst schon mit ihrem ersten Streich, der lose auf Julia Quinns Roman-Reihe basiert, das Versprechen ein, gefühlvoll zu unterhalten. Dabei reißt vor allem der Hauptplot mit: Ob Daphne (Phoebe Dynevor) und der Duke of Hastings (Regé-Jean Page) trotz aller Hindernisse ihr Glück finden werden, ist der funktionierende romantische Motor der Serie.

Spannend ist außerdem die Frage, wer hinter der mysteriösen Lady Whistledown steckt: einer Klatschpressen-Tante, die sich öffentlich nicht zu erkennen gibt, aber mit ihren wohl informierten Enthüllungsnachrichten die Queen und ihren Hof regelmäßig in Aufregung versetzt. Ach, welche Macht der Boulevard hat! Das allerletzte Wort spricht in "Bridgerton" aber natürlich: die Liebe.


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