"Nerve": Gefangen in der Online-Welt

Nach Pokémon Go stellt sich die Frage, wie weit ein Online-Hype gehen kann. "Nerve" gibt eine mögliche und beängstigende Antwort, die allerding mehr Wert auf Unterhaltung als auf Logik legt.
von  (sas/spot)

Jugendliche, die sich wegen eines Smartphone-Spiels in Lebensgefahr begeben? Diese Idee ist spätestens seit Pokémon Go erschreckend real. Im Film "Nerve" geht es allerdings nicht um die Suche nach kleinen, fiktiven Monsterchen, sondern um viel gefährlichere Herausforderungen. Basierend auf dem Buch "Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen" haben die Filmemacher Henry Joost (35, "Paranormal Activity 4") und Ariel Schulman (34, "Catfish") den virtuellen Faden weitergesponnen. Das Ergebnis: Nerve, ein Online-Spiel, das in New York City einen Mega-Hype auslöst, Jugendliche zu irren Smombies macht und Erwachsene ratlos dastehen lässt.

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Wahrheit oder Pflicht 2.0

"Nerve" löst bei den New Yorker Teenagern einen Mega-Hype aus. Foto:Studiocanal GmbH / Niko Tavernise

 

Das Spiel "Nerve" ist die moderne Version von Wahrheit oder Pflicht. Nur ohne das Flaschendrehen - und ohne die Wahrheit. Zu Beginn müssen die User entscheiden, ob sie Watcher oder Player sein möchten. Watcher beobachten das Spiel von außen und geben den Playern, den eigentlichen Spielern, Anweisungen. Mutprobe 2.0 sozusagen. Vee (Emma Roberts), die weibliche Protagonistin, ist eigentlich der typische Watcher: zurückhaltend, unsicher und lieber hinter als vor der Kamera. Gedrängt von ihrer impulsiven Freundin Sydney (Emily Maede) meldet sie sich trotzdem als Player an.

Hier fällt der Film bereits in typische Schemata: Das schüchterne Mädchen von nebenan wird von ihrer übertrieben extrovertierten Freundin in eine neue Welt gelockt, blüht darin vollkommen auf und wird von einem Moment zum anderen zu einem neuen Menschen. Dass kurz darauf auch noch ein geheimnisvoller Unbekannter namens Ian (Dave Franco) auftaucht und Vee tiefer in den "Nerve"-Kosmos zieht, ist auch nicht wirklich überraschend.

Wichtige Fragen, falsche Antworten

Ian (Dave Franco) und Vee (Emma Roberts) finden durch das Spiel zueinander. Foto:Studiocanal GmbH / Niko Tavernise

 

"Nerve" deswegen einen 08/15-Stempel zu verpassen, wäre trotzdem falsch. Denn der Film wirft eine drängende Frage auf: Wie weit lassen wir unser Leben vom Internet beeinflussen? Im Fall der Hauptdarsteller ganz klar: Sehr weit. Halbnackt aus einem Laden rennen, Überraschungs-Tattoos stechen lassen oder mit verbundenen Augen Motorrad fahren - Vee und Ian lassen sich auf die wahnsinnigsten Aufgaben ein. Die Gefahren, in die sie sich dabei begeben, sind ihnen offenbar nicht bewusst. Auch tausende Watcher, die das Geschehen live mitverfolgen oder sogar initiieren, greifen nicht ein. Was die zweite, wichtige Frage aufwirft: Was macht Anonymität im Internet mit uns?

Das Problem: Die hochrelevanten Themen rücken angesichts der vielen Action und der obligatorischen Liebesgeschichte zusehends in den Hintergrund. Hinzu kommt, dass der Film immer wieder die falsche Botschaft sendet. Hirnrissige Aktionen, wie sich von einem fahrenden Zug überrollen zu lassen oder auf einer Leiter von einem Hochhausfester ins andere zu klettern, bleiben nämlich jedes Mal folgenlos und werden als cool und mutig dargestellt. Natürlich fiebert man mit den Hauptfiguren mit, der bittere Beigeschmack einer unreflektierten Inspirationsquelle für lebensgefährliche Mutproben bleibt aber.

Fazit

Ästhetisch überzeugt der Film mit einer frischen, unverbrauchten Optik, Foto:Studiocanal GmbH

 

Wirklich ernst nehmen sollte man "Nerve" nicht. Ohne den Anspruch einer logischen, reflektierten Gesellschaftskritik sind die 96 Minuten aber durchaus unterhaltsames Kino, das vor allem von seiner frischen, visuellen Umsetzung lebt. Die Leinwand wird zeitweise zum Computer-Bildschirm und stetig ploppen Social-Media-Schnipsel im Sichtfeld auf. Untermalt wird das Ganze von angesagter Popmusik. Den Nerv der Teenie-Zielgruppe trifft der Film damit auf jeden Fall.

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