Mega-Blockbuster "Moonfall": Roland Emmerichs Mondfahrt

Verschwörungstheoretiker mit Sendungsbewusstsein? Die gehören nach Meinung nicht weniger Menschen längst auf den Mond geschossen. In "Moonfall" jedoch sollen sie den Himmelskörper vor seinem Absturz auf die Erde retten. Diese irritierende Heldenverehrung ist ein bisschen die Krux von Roland Emmerichs 140 Millionen Dollar teurem Film.
Sein ehrenwerter Versuch, das Katastrophenfilm-Genre noch einmal auf großer Leinwand wiederzubeleben, funktioniert so gar nicht. Und das liegt auch an einer Geschichte, die sich zwischen lustvoll zelebrierter Albernheit und angestrengter Ernsthaftigkeit nicht entscheiden kann.
Dabei weckt der Prolog noch Vorfreude auf ein charmant-überhöhtes Spektakelkino, wie es Emmerich in den 90er Jahren mit "Independence Day" oder später mit dem unterschätzten "Day After Tomorrow" noch so leicht von der Hand ging.
John Bradley, Patrick Wilson und Halle Berry als Astronauten
12. Januar 2011. Wir sehen drei Astronauten bei Routine-Reparaturarbeiten am Space Shuttle Endeavour. Und während Brian (Patrick Wilson) und Jocinda (Halle Berry) sich noch scherzhaft über den Text von Totos Hit "Africa" kabbeln, reißt eine enorme Druckwelle ihren Kollegen Alan (Frank Fiola) plötzlich ins Weltall. Mitten in der Panik entdeckt Brian auch noch den Übeltäter für den tragischen Verlust: eine sich muränenartig bewegende dunkle Partikelmasse, die schnurstracks Richtung Mond unterwegs ist. Und wie in jedem Werk dieser Größenordnung will dem aufrechten Astronauten hinterher niemand glauben.
Bereits wenig später greift Emmerich wieder tief in die filmische Mottenkiste, wenn er Brian in der Gegenwart als von der NASA und seiner Familie entfremdeten Sauertopf charakterisiert, der mit sich und der Welt abgeschlossen hat. Aus der Lethargie muss ihn dann ausgerechnet besagter Verschwörungstheoretiker reißen, der Hobby-Astronom K.C. Houseman (John Bradley-West aus "Game of Thrones").
Als dampfplauderndes dickliches Muttersöhnchen ohne erkennbare Sozialkontakte erfüllt K.C. wirklich alle Nerdklischees. Umso absurder, dass sich seine Theorie, dass der Mond lediglich ein innen hohler Megakomplex sei, der sich langsam aber sicher auf die Erde zubewegt, als wahr herausstellt.
Verblüffend auch, wie ratzfatz die NASA, darunter die zur Chefin aufgestiegene Jocinda, diesem knuffigen Hellseher Recht geben muss und dann mit dem letzten noch reisetauglichen Space Shuttle eine Ad-hoc-Mond-Rettungsmission geplant wird.
Beiläufig-routiniert abgespulte Katastrophenbilder
Während der wie im Zeitraffer ablaufenden Vorbereitung, die auch als Abgesang auf die Faszination der einstigen Apollo-Missionen verstanden werden kann, spult Emmerich beiläufig-routiniert seine früher stilprägenden Katastrophenbilder von in Sturmfluten versinkenden Städten ab. Und auch Halle Berry darf wie einst Bill Pullman als Präsident in "Independence Day" noch schnell eine aufrüttelnde Rede halten. Spannung will dabei aber kaum aufkommen, weil die fleischlosen Figuren samt Anhang wie am Reißbrett entworfen wirken und die üblichen Endzeit-Sprüche ("Gott steh uns bei!") ohne Verve, ja ohne Pathos einfach aufgesagt werden.
Und auch die Effekte dieser wegen Corona-Maßnahmen und Steuervorteilen im Studio in Montreal gedrehten Produktion wirken häufig künstlich wie in einem Videospiel und nicht auf dem Level früherer Emmerich-Arbeiten.
Erst in der letzten halben Stunde, als die Hektik zurückgefahren wird, um das Geheimnis um den wahren Mann im Mond endlich zu lüften, kommt "Moonfall" bei sich an.
Und noch einmal, jedoch nur kurz, entfacht Roland Emmerich hier einen magischen Filmzauber, ein Gefühl der Überwältigung, das seine früheren Filme bei allem logischen Nonsense so häufig ausgezeichnet hat.
Kino: Cinema (OV), CinemaxX, Gloria, Leopold, Mathäser, Museum Lichtspiele (OV), Royal
R: Roland Emmerich (USA, 126 Min.)