"Maurice der Kater" im Kino: Tricks der Propaganda
Zugegeben, Ratten genießen keinen guten Ruf. Im Animationsfilm aber haben sie sich seit ihrem Durchbruch in der "Ratatouille"-Pixar-Küche durchaus gemausert. Der nagende Aufwärtstrend hält mit "Maurice der Kater" weiter an. Ihren schlechten Ruf als Pestilenz machen sich die Ratten hier zu Nutze, um die angstbeseelten Menschen ordentlich abzuziehen.
Von Dorf zu Dorf ziehen die smarten Pelzträger, um Einwohnern eine kommende bedrohliche Plage vorzuspielen. Teil der Aufführung ist der Titelheld: der eingebildet süffisante Kater Maurice. Und der tollpatschige Waisenjunge Keith, der im Flötenspiel den Rattenfänger von Hameln imitiert.
Der Traum: Ein Miteinander von Mensch und Tier
Das Räuber-Vagabundenleben nutzt sich jedoch ab, findet jedenfalls "Gefährliche Bohnen", der Chef-Rattenphilosoph, der genau wie seine Fellfreunde von einem paradiesischen Ort, einem Miteinander von Mensch und Tier träumt.
Kater Maurice jedoch, der diesen (Irr)Glauben eigennützig befeuert, kann die Ratten noch zu einer letzten Aufführung bewegen. Im abgelegenen Kurort Bad Blintz wird die Bande aber von Malizia Grimm, der Nachname ist Programm, enttarnt und muss sich einer größeren Gefahr, dem Essen stehlenden Rattenkönig stellen.
Autor und Regisseur wollen populärer Vorlage gerecht werden
Viel Zeit nimmt sich die aufwendige internationale Co-Produktion, um ihre Figuren und die eigentümlich skurrile Welt zu veranschaulichen. Spürbar sind Regisseur Toby Genkel ("Ooops! Die Arche ist weg") und sein erfahrener Autor Terry Rossio ("Shrek") bemüht, der populären Vorlage gerecht werden, dem 28. Roman aus dem "Scheibenwelt"-Zyklus von Terry Pratchett (1948 - 2015).
Der britische Kultautor bevölkerte seine Welt nicht nur mit Märchenfiguren, er persiflierte sie auch. Trotz einiger Glättungen bleiben Genkel und Co. diesem Motto treu, auch wenn Kinder unter acht Jahren mit dem radikalen Bruch der vierten Wand überfordert sein dürften: Malizia, die sich in der Grimmschen Märchenwelt verliert, übernimmt die Rolle der allwissenden Erzählerin und tritt öfter mal auch aus der Handlung, wenn es ihr an dem nötigen Subtext fehlt.
Film verzichtet auf moralischen Überbau, aber ist tiefgründig
Ähnlich konsequent sind auch die tierischen Figuren erfrischend widerborstig gekennzeichnet - durchaus auch auf Kosten von Sympathien, wie für den arg eingebildeten Kater Maurice. Im Gegensatz zum Kinderfilm-Mainstream wie "Der gestiefelte Kater" verzichtet "Maurice der Kater" auf einen moralischen Überbau. Vielmehr setzt der Film der gängigen Aussage, den eigenen Spleen zum Wohl der Gemeinschaft herunterzuschrauben ein Lob des Individuums entgegen - hier personifiziert durch den durchaus fehlerhaften, aber liebenswerten Charakter von Maurice.
Konsequent tritt hier das Kollektiv, das mit Massensuggestion den Einzelnen geradezu verschlingt, auch als Bösewicht auf - und weist damit hintergründig auch auf bedrohliche Entwicklungen wie Meinungsblasen und gesteuerte Massenhysterien in modernen Gesellschaften hin.
Kino: CinemaxX, Kino Solln, Mathäser, Leopold sowie Museum Lichtspiele (auch OV); Regie: Toby Genkel (USA/GB/D, 93 Min.)
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