Margarethe von Trotta: Die Rache der Verflossenen
Margarethe von Trotta ist auch mit weit über 20 Kino- und Fernsehfilmen immer noch für eine Überraschung gut. In ihrer ersten Komödie "Forget about Nick" lässt sie nun in New York die Lebenswelten zweier unterschiedlicher Frauen im Gefühlschaos aufeinander treffen und gerne über ihren gemeinsamen Ex-Mann streiten. Die Grande Dame des Deutschen Films plaudert ganz entspannt bei einem Glas Wein über Zickenkrieg und Feminismus, Sehnsucht als romantisches Gefühl und Lust an der Arbeit.
AZ: Frau von Trotta, diese Frauen sind so ganz anders als in Ihren bisherigen Filmen.
MARGARETHE VON TROTTA: Ich wollte nach den vielen schweren und auch manchmal historischen Filmen mal etwas Leichtes probieren und habe die New Yorker Jüdin Pam Katz nach einem Drehbuch gefragt. Die eine Frau hat das amerikanische Modell total verinnerlicht, auch wenn sie geborene Norwegerin ist. Diese Art Frauen laufen zuhauf in New York herum. Die andere kommt aus Berlin und versucht ihren kulturellen Background zu bewahren, war in New York verheiratet. Ich habe an einen Western gedacht. Am Anfang stehen sie sich wie mit einem Gewehr gegenüber, wenn sie am Schluss über den nicht so tollen Sex mit Nick reden, sitzen sie zusammen, solidarisieren sich. Diese Konstellation habe ich durchgezogen.
Eigentlich seltsam, sich wegen diesem nicht gerade virilen Typen so zu zoffen.
Ich wollte bewusst keinen charmanten Beau und habe mich auch schon in Männer verliebt, wo andere sagten, diesen kleinen Knirps hätte ich nie genommen. Wenn man in einer Beziehung steckt, sieht alles anders aus. Das kennt doch jede von uns. So war es bei Sartre der Intellekt, der die Frauen angezogen hat. Und ich kenne Frauengeschichten, da geht es viel härter zu. Was mich wundert. Ich habe nie Groll gegen meine Nachfolgerinnen empfunden. Aber Männer sind auch nicht vor irrationalen Aktionen gefeit, denken Sie an die früheren lächerlichen Duelle.
Welche Bedeutung hat die Sehnsucht, die sich durch Ihre Filme zieht?
Meine Mutter musste mit ihrer Familie aus Moskau fliehen, als der Kommunismus an die Macht kam und hat ihr ganzes Leben lang die Sehnsucht nach dieser Stadt bewahrt. Es gibt eine Sehnsucht nach etwas, was man verloren hat und eine Sehnsucht nach dem, was man nie gehabt hat. Letzteres trifft auf mich zu. Das ist natürlich ein sehr romantisches Gefühl und ich war sehr lange Zeit der deutschen Romantik zugeneigt, das ist so ein Urgrund bei mir. "Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide" schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Da existiert ein Verlangen nach irgendeinem Schatz, oder einer Form von Einheit. Dieses sich Verzehren kann ein sehr schönes Gefühl sein, auch wenn es nicht befriedigt wird.
Wie Heulen aus Liebeskummer?
Ist doch herrlich.
Schwingt für Sie als Feministin das Pendel derzeit in die andere Richtung?
Ich bin von den Männern als Feministin verteufelt und von den wirklichen Feministinnen kritisiert worden, dass ich nicht feministisch genug bin und saß eigentlich immer zwischen zwei Stühlen. Aber wir haben gelernt, uns zu wehren. Regisseurinnen wie Doris Dörrie oder Caroline Link haben von unserem Kampf profitiert, genießen mehr Vorteile. Es geht voran, wenn auch nur in kleinen Schrittchen. Ich glaube auch nicht, dass man etwas von anderen übernehmen kann. Jede Generation muss neue und eigene Lebenserfahrungen machen, selber eine Position finden.
Andere in Ihrem Alter streicheln Katzen, gärtnern oder relaxen in der Südsee. Sie drehen weiter Filme. Eine Art Lebenselixier?
Auf jeden Fall. Wer seine Arbeit mit Leidenschaft macht, für den wird sie zum Lebenselixier. Ich bin vielleicht nicht mehr so rabiat wie ich mal war, aber solange mir die Produzenten noch vertrauen und Geld geben, solange ich die Dreharbeit körperlich noch schaffe, so lange, wie man mich lässt, mache ich Filme. Irgendwann wird man sagen, jetzt tritt mal ab, lass‘ die Jungen ran. Das verstehe ich auch, aber ich nehme denen ja nichts weg. Da kann ich noch so kaputt sein, am Set ist es sofort wieder da, dieses unbeschreibliche Gefühl, das Flügel verleiht.
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