"Lux - Krieger des Lichts" - Rogowski reißt's raus

"Jeder von uns trägt seinen Helden in sich. Meiner heißt Lux" sagt sich Torsten Kachel und zieht von seinem Plattenbau aus als Superheld in schwarzer Maske und Gewand durch die Stadt, beschenkt Arme, legt sich mit den Reichen an und will die Welt ein bisschen besser machen. Bis ihn die Medien entdecken und ein Dokumentarfilm-Team ihn bei der "Arbeit" begleitet, gefakte Szenen ins Netz stellt.
Mehr und mehr entfernt sich der schüchterne Mann von sich selbst, merkt nicht, dass er nur noch Instrument niedriger Interessen ist. Das hört sich alles etwas konfus an und wäre es auch, wenn nicht Franz Rogowski den Träumer verkörpern würde, der trotz altruistischer Ader Anerkennung möchte. Ihm nimmt man die schlichte Psychologie ab und jede noch so skurrile Wendung. Auch wenn die wenig mit der Realität im rauen Berlin zu tun hat.
Regie: Daniel Wild (D, 106 Min.) Kinos: Atelier, Monopol
Der Superheld der Herzen
Franz Rogowski, der 1986 in Freiburg geboren wurde, spielte die Hauptrollen in einigen der aufsehenerregendsten Filme der letzten Jahre: "Fikkefuchs", "Victoria" und "Love Steaks". Jetzt spricht er im AZ-Interview über seinen neuen Film "Lux – Krieger des Lichts", über Helden und über die Münchner Kammerspiele.
AZ: Herr Rogowski, was gefällt Ihnen an der Naivität dieses Helden?
Franz Rogowski: Ich finde es schön, jemanden zu spielen, der aus dem Herzen spricht, nicht so viele Filter drauf hat und nicht alles rationalisiert. Es gefällt mir, wenn einer seiner inneren Stimme Ausdruck verleiht, wenn auch nicht so souverän. Auf der anderen Seite ist jemand, der so unentschlossen daherkommt, bestimmten Konflikten noch nicht gewachsen. Vielleicht hat er noch nicht die Reife, um wirklich als Mann Verantwortung zu übernehmen.
Flieht diese märchenhafte Figur vor der Wirklichkeit?
Nein. Viele Menschen fliehen vor dem, was gut für sie wäre. Oft sind das Leute, die alles richtig machen wollen, nicht anecken, in der Schule gute Noten schreiben, das Maul halten und dann zur Arbeit gehen, nur im Quadrat denken. Dieser Hero aber zeigt doch als einer der wenigen Zivilcourage. Ist es nicht absurd, wie wir heute alle vereinzeln, jeder für sich kämpft und sich verwirklicht? Eigentlich fehlt uns der Gemeinsinn. Den sucht Torsten, und das macht ihn besonders.
Und wer ist Ihr Held?
Persönlich glaube ich nicht so sehr an das Heldenhafte. Ein Held tut wahrscheinlich das, wovor wir Angst haben. Ein Held agiert selbstloser als wir das tun. Wenn ich eine schlimme Schlägerei sehe, mische ich mich nicht ein und wähle lieber 110. Während der Dreharbeiten mit Christian Petzold in Marseille wollte ich eine Schlägerei schlichten und habe voll was auf die Nase gekriegt. Das ist so mein Level an Heldsein. Jetzt ist es erst einmal vorbei mit den Heldentaten.
Es heißt, Sie seien "getrieben". Ich finde Sie eigentlich eher in sich ruhend.
Wenn ich aufhöre, etwas zu tun, spüre ich eine von Schuld geprägte, leicht ängstliche Grundstimmung, in der ich das Gefühl habe, ich muss diese Grundschuld durch Leistung abarbeiten, ich muss dem Tag etwas abringen, sonst ist er umsonst. Das schafft erst einmal einen Leidensdruck. Vielleicht liegt das daran, Schwabe, Protestant oder Deutscher zu sein.
Können Sie auch inne halten?
Mittlerweile muss ich die tagelange Meditation nicht mehr scheuen. Dadurch, dass die Filme so extrem sind in der Arbeitszeit und zwischen den Projekten eine Pause ist, genieße ich diese Wellenbewegung. Ich kann mich in Arbeit verlieren und im Nichtstun.
Genießen Sie Ihren Erfolg oder packt Sie manchmal die Furcht, alles könnte mal vorbei sein?
Im Moment ist das eine besondere Zeit für mich, da passieren viele Dinge gleichzeitig. Natürlich fragt man sich, wie lange wird man gewollt, wie lange positiv gesehen und anerkannt. Diese Angst treibt viele Schauspieler um, sie schwanken bei jeder Rolle aufs Neue zwischen großer Zuversicht und Sich-in-Frage-Stellen. Nach dem Film ist die Rolle weg. Man wird immer wieder nur auf seinen Körper zurück geworfen, damit arbeitet man, sonst hat man nichts. Der Genuss an der Arbeit ist immer gepaart mit Unsicherheiten.
Sie waren Ensemble-Mitglied der Kammerspiele, deren Intendant spaltet die Gemüter.
Die Kammerspiele waren in den letzten zwei Jahren ein Ort abseits des etablierten und funktionierenden Theaters, probierten andere Formen aus. Und das ist für die Kulturlandschaft in München sehr positiv. Noch ein Haus, das einfach die Zutaten nimmt, die man schon kennt, um irgendwie ein gutes Weißwurstfrühstück zu machen? Die Stadt hat in der Hochkultur und im Bereich der Sicherheiten alles zu bieten. Warum nicht etwas wagen, das die Sicherheit und das Establishment erweitert?
Was bedeuten Ihnen die Kammerspiele?
Ich sehe sie als eine Bereicherung im Sinne der Verschiedenheit und Vielschichtigkeit. Dass München jemanden wie Lilienthal holt, der erst einmal alles anders macht und aneckt, auch irgendwie nervt mit seinem Dilettantentheater, in dem die Hochstatus-Schauspieler fehlen, das ist schon ein anstrengendes Konzept, wo man mitdenken muss und nicht einfach mal seinen Spaß haben kann. Aber so entstehen neue Denkprozesse.
Wann haben Sie sich für die Schauspielerei entschlossen?
Das war eigentlich eine Entscheidung gegen die Schule mit ihrem Frontalunterricht. Ich habe gelernt, dass ich nicht gut genug bin für Latein, Mathe, Physik und Chemie. Die Schule erlebte ich als eine Art Dauertrauma. Danach machte ich mich auf die Suche danach, was mir wirklich Freude bereiten könnte. Angefangen habe ich als Straßenjongleur und Saxofonspieler in der U-Bahn. Es folgten Ausdruckstanz, Körpertheater und die Clownschule in den Tessiner Bergen. Langsam bekam ich ein Gefühl für das, was ich wirklich machen will. Irgendwann muss man dieses ganze Debakel der Pubertät hinter sich lassen und Verantwortung für sich übernehmen. Ein Prozess, den wohl jeder durchmacht.
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