Love & Mercy - Schatten im Paradies

Der Film "Love & Mercy" zeigt auch die dunklen Seiten des Beach Boys Brian Wilson
Dominik Petzold |
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Der Film "Love & Mercy" zeigt auch die dunklen Seiten des Beach Boys Brian Wilson
 

Pop-Fans müssen diesen Film sehen. Denn wann können wir Krethis und Plethis schon mal dabei sein, wenn eines der größten Alben aller Zeiten entsteht? Bill Pohlads Spielfilm „Love & Mercy“ nimmt uns mit in das Studio in L.A., in dem Brian Wilson mit den Beach Boys 1966 „Pet Sounds“ aufnahm: die magische Tonschöpfung, deren Klänge und Harmonien aus einer anderen Welt zu kommen schienen, jedenfalls nicht aus der Pop-Welt, wie man sie kannte.

Der Zuschauer ist mitten im engen Studio, wenn Wilson (Paul Dano) auf den Klaviersaiten wie auf einem Hackbrett spielt und noch Haarklammern darauflegt, um eines neuen Effektes willen. Und wenn er den legendären Session-Musikern der „Wrecking Crew“ erklärt, was sie spielen sollen. „Brian, Du hast da Mist gebaut“, sagt Bassistin Carol Kaye und zeigt auf die Noten. Hat er nicht. Er hat bloß die harmonischen Regeln gesprengt, die sie in Tausenden von Pop-Aufnahmen begleitet hatten.

Die Rekonstruktion dieser Sessions ist einfach großartig, der Kolorit des Jahres 1966 ebenfalls. So ähnlich muss es im Studio zugegangen sein, denn Brian Wilson selbst war künstlerischer Berater des Films. Der ist aber keine Special-Interest-Studie für Musikfans, sondern Hollywood-Drama. Es geht deshalb nicht nur um Genie, sondern auch um Wahnsinn.

Wilson hörte nämlich in seinem Kopf nicht nur diese unglaubliche Musik – sondern auch Stimmen. Seine Probleme wurden während der „Pet Sounds“-Sessions und danach schlimmer. Dass Beach Boy Mike Love den neuen Sound ablehnte, weil er unkommerziell war, half da nicht, der böse Vater auch nicht, LSD noch weniger. Brian Wilson brannte mit Mitte zwanzig aus. Der zweite, parallel erzählte Handlungsstrang spielt 1985, und da ist Wilson – jetzt gespielt von John Cusack – nur noch ein Wrack.

Harmonien, nicht aus der Pop-Welt, wie man sie kannte

Und er ist in der Gewalt des Psychiaters Eugene Landy (Paul Giamatti), der ihn in Abhängigkeit hält. Als Rettung naht die liebe Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks), die sich in Brian verliebt, doch der Psychiater versucht mit allen Mitteln, die Beziehung zu verhindern. Dieser zweite Film im Film ist nicht so gut, weil der Konflikt zu einfach und die Charaktere zu einseitig sind: hier der selbstlose Engel Melinda, da der fiese Arzt. Und so gut John Cusack den hilflosen Patienten spielt: Paul Dano sieht aus wie der junge Brian Wilson, Cusack aber völlig anders als beide – der Zuschauer ist gefordert, über diese Hürde zu springen.

Doch es bleiben wundervolle Szenen. Zum Beispiel, wenn sich die Kamera langsam um den jungen Brian dreht, der allein am Klavier sein neues Lied „God Only Knows“ spielt, den Popsong, den Paul McCartney später als den größten aller Zeiten bezeichnen wird. Als die Kamera ihn einmal umkreist hat, sieht man im Hintergrund seinen dominanten, aggressiven Vater. Der sitzt in Pyjama und Nachtrock auf der Couch und sagt: „Der Song ist wischiwaschi“.

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