Leonardo DiCaprio als Gatsby: Welt des (Geld)Scheins
Verbotenes ist besonders reizvoll, Unerreichbares noch begehrenswerter. So provozierte die puritanische Prohibitionszeit den Rausch, war die Großbürgertochter Daisy für den jungen Offizier Gatsby das Glücksversprechen des Lebens.
Der Roman von F. Scott Fitzgerald von 1924 wurde zum Klassiker, weil er alles enthält. Der „große Gatsby”, der geheimnisvolle Aufsteiger und jetzt sagenhaft Superreiche ist die Verwirklichung des amerikanischen Traum-Versprechens. In seiner eigenen rauschenden Vergnügungspark-Welt aber ist er wie unter einer Glasglocke, und sein ganzer neureicher Pomp ist nur der verzweifelte Versuch, die reich verheiratete Ex-Verlobte zurückzulocken.
Fitzgerald baut uns mit dem Erzähler Nick eine Brücke in die Welt der oberen Zehntausend: der junge Investmentbanker, der eigentlich Schriftsteller sein will, staunt von außen und ist am Ende der einzige mit Charakter und Herz im verlogenen, klassenbeschränkten Sündenbabel – bis auf Gatsby, der alles der Idee seiner Liebe opfert.
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Baz Luhrmann hat daraus einen zweigeteilten Film gemacht: am Anfang die Faszination der drogengeschwängerten, hexentanzwütigen „Roaring Twenties”. Und wie schon in „Moulin Rouge” saust der Film wild zuckend durch opulente Feuerwerks-Orgien, durch Gardinen, Tüll und Türen. Da sind Absteigen wie Bonbon-Puffs, fressen Schoßhündchen Trüffel aus Porzellan, ist der schwarze Harlem-Trompeter gelackt wie für „Puttin’ on the Ritz”.
Das ist im besten cinematografischen Sinn „bigger than Life”, auch wenn die 3D-Form der Geschichte keine weitere Dimension geben kann. Alles – noch unterlegt mit viel Electro-Swing – ist so wild, dass die Bilder kein Ganzes geben, zerfallen, fast verpuffen. Es ist das Porträt einer Welt des (Geld)Scheins, in der die Hitze des Tanzes nur die Gefühlskälte kaschiert. Dann aber, wenn die Liebes- und Lebensgeschichten sich enthüllen, wird der Film auffallend langsam, fast sentimental, aber er bewegt nicht. Denn die Figuren sind kalt, in Posen gefangen – bis auf Leonardo DiCaprio als Gatsby, der alles ist, spielt und kann: ein verletzlicher Aufsteiger, ein skrupelloser Mafioso, ein hemmungsloser Romantiker.
Alle anderen sind Staffage, wie die blasse Daisy (Carey Mulligan, die nicht erklären kann, warum sie die Projektionsfläche des ganzen Lebens von Gatsby ist). Oder unser Erzähler, Nick (Tobey Maguire, der naiv staunend einen ständig leicht trotteligen Eindruck macht). Über ihm baut Luhrmann, der sich sonst wunderbar genau an die Buchvorlage hält, eine unnötig prüde-moralische Ebene ein: Nick Carraway erzählt – nach all seinen Einblicken in die verdrogte Dekadenz – rückblickend aus einer psychiatrischen Alkoholentzugsklinik. Und die Dauer-Off-Stimme nimmt dem Film eine weitere Chance auf Unmittelbarkeit.
So lässt Baz Luhrmann – ohne eigene Interpretation, aber opulent bebildert – den Zuschauer staunend und doch seltsam unberührt zurück. Das kann man aber durchaus im Sinne der kühl-analytischen Eleganz Fitzgeralds verstehen.
Kino: Arri, Astor Lounge, Atelier (auch OmU), Cadillac, CinemaxX, City (OmU), Gloria (auch OmU), Leopold (auch OmU), Mathäser (auch OmU), Neues Rex, Rio, Royal, Sendlinger Tor, Solln, Cinema (OV), Museum Lichtspiele (OV) R: Baz Luhrmann (USA, 142 Min.)
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