Interview

Lea Seydoux im AZ-Interview: "Playboy Bond? Der ist Feminist!"

Lea Seydoux bringt in "Keine Zeit zu sterben" James Bond bei, dass es auch anderes gibt als nur die Pflicht im Dienste Ihrer Majestät.
von  Mariam Schaghaghi
Bei dieser Liebe ist klar: "Keine Zeit zu sterben" Daniel Craig als James Bond und Lea Seydoux als Dr. Madeleine Swann.
Bei dieser Liebe ist klar: "Keine Zeit zu sterben" Daniel Craig als James Bond und Lea Seydoux als Dr. Madeleine Swann. © MGM, Nicola Dove / Danjaq

So sehnsüchtig hat das Publikum wohl noch keinen Film erwartet: Dreimal wurde seit März 2020 der 25. Bond verschoben. Jetzt kommt "No Time To Die" in unsere Kinos. Die Uraufführung in London am Dienstag war die erste große Weltpremiere seit der Pandemie.

Mit diesem Film verabschiedet sich Daniel Craig als 007. Frankreichs derzeit erfolgreichste Schauspielerin Lea Seydoux spielt zum zweiten Mal die Frau, die James Bond den Geschmack am Alleinsein verdirbt und ihn endgültig vom Playboy-Dasein abbringt - mit viel Gefühl.

AZ: Madame Seydoux, schön, dass Corona Sie wieder aus seinen Fängen entließ. Ihren Besuch beim Filmfestival Cannes mussten Sie ja in letzter Minute absagen, weil Sie positiv getestet wurden…
LEA SEYDOUX: Ja, der Test, so kurz vor Cannes, war ein Schock. Ich hatte in insgesamt vier Filmen mitgespielt, die dieses Jahr auf dem Festival vorgestellt wurden. Ich wollte einfach nur diese Filme und die harte Arbeit dahinter feiern und mit all den Kollegen eine gute Zeit haben - aber dann kam Covid dazwischen.

Lea Seydoux: "Die Arbeit an diesem Film war immer ein Dienst an den Bond-Fans"

Auch "No Time To Die" kam Covid "dazwischen". Die Verschiebung von "Bond" wurde zum Indikator der Covid-Krise: Als er im März 2020, zu Beginn des Lockdowns, gleich in den November verschoben wurde, war zu ahnen, dass die Pandemie keine Sache von zwei Wochen werden würde. Nun wurden es eineinhalb Jahre. Wie nervenaufreibend war das für Sie?
Ich bin einfach nur froh, dass er endlich ins Kino kommt! Wir haben alle so hart an "No Time To Die" gearbeitet. Allen voran natürlich Daniel Craig, für den es der letzte Auftritt als James Bond sein wird. Ich bin total gespannt, wie das Publikum auf unsere Geschichte reagieren wird. Für uns Schauspieler war die Arbeit an diesem Film immer ein Dienst an den Bond-Fans. Wir wollten sie richtig glücklich machen.

Sehen Sie sich selbst als Bond-Girl, Bond-Frau oder Bond-Lady?
Ich sehe mich einfach nur als Frau.

Also Bond-Frau?
So eine Figur wie Madeleine, die so selbstbewusst ist, habe ich noch nie gespielt. Meine Figuren sind oft irgendwie gequält und nicht sehr weiblich. Ihre Weiblichkeit war jedenfalls meist nicht offensichtlich. Ich glaube fast, das ist das erste Mal, dass ich eine Frau gespielt habe. Als ich einige Filmausschnitte sah, erkannte ich mich selbst nicht wieder. Ich dachte: "Ach, ich sehe ja wirklich aus wie eine Frau!"

Lea Seydoux: "Ich habe das Gefühl, dass ich gerade erst anfange"

Sie haben bereits eine Goldene Palme gewonnen für "Blau ist eine warme Farbe", spielen im neuen "Bond" mit und haben mit Wes Anderson gearbeitet. Was bleibt da noch zum Träumen?
Nein, nein! Ich habe das Gefühl, dass ich gerade erst anfange. Ich langweile mich überhaupt nicht, denn ich habe ja immer noch Angst vorm Spielen. Ich habe immer Angst zu handeln. Wahrscheinlich würde ich mich an dem Tag langweilen, an dem ich keine Angst mehr habe. Und ich glaube, dass ich in gewisser Weise süchtig bin nach dieser Angst vorm Spielen. Ja, die Angst gefällt mir, denn sie zwingt mich dazu, dass ich mich jedesmal überwinden muss und auch übertreffen will.

Lea Seydoux: "So eine Figur wie Madeleine, die so selbstbewusst ist, habe ich noch nie gespielt. Meine Figuren sind oft irgendwie gequält und nicht sehr weiblich."
Lea Seydoux: "So eine Figur wie Madeleine, die so selbstbewusst ist, habe ich noch nie gespielt. Meine Figuren sind oft irgendwie gequält und nicht sehr weiblich." © imago images/i-Images

Sind Sie nervös, wenn es ans Set geht?
Bei "Keine Zeit zu Sterben" hatte ich richtig Lampenfieber. Ich fand, dass ich neben dem männlichen Daniel aussah wie ein kleines Mädchen. Oder sogar wie ein kleiner Junge, ein Anfänger - aber nicht wie eine sexy Frau. Meine Nervosität lag sicher auch darin, dass es meine bislang größte Rolle auf Englisch war.

Lea Seydoux: "Ich mag es lieber, wenn Menschen Ecken und Kanten haben"

Sie haben sogar in den beiden großen Agenten-Reihen unserer Zeit mitgespielt, nicht nur zweimal bei "James Bond", sondern auch bei "Mission: Impossible" mit Tom Cruise. Was lag Ihnen mehr?
Das kann ich vom Professionellen her kaum entscheiden. Beide Filmreihen sind fantastisch, sind aufwändigst produziert und perfekt umgesetzt. Auch meine Rolle in "Mission: Impossible" habe ich geliebt! Ganz persönlich aber fühle ich mich mit der Figur des James Bond mehr verbunden: Er ist nicht perfekt. Ethan Hunt ist so unerreichbar, so makellos… Ich mag es lieber, wenn Menschen Ecken und Kanten haben, wenn sie imperfekt sind.

James Bond schien der unverbesserlichste Macho zu sein. Aber plötzlich schmolzen die Klischees: Der Mann wurde sensibler, die Frauen stärker. Woher kam dieser Wandel?Ganz klar von Daniel. Er hat während seiner Dienstzeit als Bond wirklich etwas Besonderes geschafft: Er hat den Super-Agenten menschlicher gemacht, greifbarer, auch angreifbarer. Zu seinen Stärken als Agent kamen auch ein paar persönliche Schwächen dazu. Ich finde, das hat der Figur sehr gut getan. Sie hat viel mehr Tiefe bekommen - und das Publikum hat das gespürt.

Fünf Filme umfasst die Ära Craig - und die beiden letzten, "Skyfall" und "Spectre", waren die erfolgreichsten im Bond-Universum. Womit erklären Sie sich das?
Für mich ist diese Entwicklung vom Übermenschlichen zum Menschlichen hin der Hauptgrund, warum die Leute Daniel so sehr als James Bond angenommen haben. Die Zuschauer haben sich in ihrer Menschlichkeit verstanden gefühlt, und so konnten sie Gefühle zu Bond aufbauen. Wenn ich Daniel Craig als Bond auf der Leinwand sehe, dann bewundere ich ihn nicht nur, ich fühle auch mit ihm mit. Diese neue Dimension tut der Bond-Reihe sehr gut. Deshalb bin ich auch so traurig, dass "No Time To Die" nun der letzte Auftritt für Daniel als 007 sein wird. Eine Ära geht zu Ende.

Als Craigs letzte gedrehte Szene im Kasten war, wurde am Set applaudiert, gefeiert, geweint, umarmt, Craig hielt eine kurze Rede und war sichtlich gerührt. Wie haben Sie sich verabschiedet?
Ich habe es mir leicht gemacht und habe mich einfach gar nicht erst verabschiedet. Ich war an seinem letzten Drehtag schon nicht mehr am Set, sondern schon woanders vor der Kamera.

Lea Seydoux: "Für mich muss ein moderner Mann ein Feminist sein"

Es gibt Gerüchte, dass für diesen Film drei verschiedene Enden gedreht wurden, und kaum jemand weiß, welches Ende wirklich das "Richtige" ist, das Regisseur Cary Fukunaga auswählt.
Das weiß ich auch nicht. Ich habe den Film ja auch noch nicht gesehen. Mir wurden immer nur Ausschnitte gezeigt. Aber ich habe so ein Gefühl, dass ich ziemlich umgehauen sein werde, wenn ich den fertigen Film jetzt bei der Premiere in London gesehen haben werde. Eine Mischung aus Schock und Überraschung.

Der Playboy Bond lechzt nach Partnerschaft, will Liebe statt Sex, Augenhöhe statt One-Night-Stands, Auszeit statt Action. War das nur ein Einfall der Drehbuchautoren?
Ich glaube, das war alles nur möglich, weil Daniel Craig selbst Feminist ist. Diese Haltung sieht man ihm an, diese Haltung hat er auch ganz stark mit in die Rolle gebracht. Das ist fantastisch! Die Autoren haben diese Chance genutzt, so konnte Bond sich neu erfinden, in unserer Zeit ankommen und wirklich modern werden. Für mich muss ein moderner Mann ein Feminist sein - und James Bond hat diese Weiterentwicklung sehr gutgetan.

Lea Seydoux: "Ich selbst ziehe mich viel sportlicher und unaufgeregter an"

Für Ihr Styling bei großen Premieren und Projekten soll Ihre Schwester zuständig sein, stimmt das?
Ja, ist sie. Sie ist bei allen großen Filmen dabei, selbst bei großen Presseterminen. Sie arbeitet nicht nur für mich, sondern auch für Adèle Exarchopoulos. Meine Figur in Bond ist chic, weiblich und classy. Ich selbst ziehe mich viel sportlicher und unaufgeregter an, casual. Normalerweise trage ich nicht mal Make-Up. In Paris kümmert sich keiner um mich, ich lebe in einem sehr afrikanisch geprägten Viertel, da hat es keiner so mit dem Film.

Und wenn Sie doch jemand erkennt?
Dann ist das meist sehr nett, nie aggressiv oder übertrieben. Omar Sy ist bei uns ein Superstar, er kann wirklich kaum mehr auf die Straße. Er ist noch mehr als das, er ist ein Held für die Kids, weil er aus einem schwierigen Vorort von Paris kommt und es aus eigener Kraft geschafft hat, nach ganz oben zu kommen.


"James Bond - Keine Zeit zu sterben" startet am Donnerstag. Previews am heutigen Mittwoch im Cinemaxx, Royal und Museum Lichtspiele (OV)

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