"Last Christmas": Bridget Jones meets Weihnachtsklassiker

"Last Christmas, I gave you my heart, but the very next day, you gave it away". Kaum wird es November, hallt, synchron zu Plätzchen in den Supermärkten, "Last Christmas" in der Version von Wham! durch alle Radiosender. Aufbauend auf dem inoffiziellen, wohl zwiespältigsten Weihnachtssong überhaupt, erschuf Komödien-Ass Paul Feig (57, "Nur ein kleiner Gefallen") in Zusammenarbeit mit Dame Emma Thompson (60, "Kindeswohl") eine Weihnachtsgeschichte, die sich irgendwo zwischen "Tatsächlich...Liebe" und "Liebe braucht keine Ferien" ansiedelt - und dann doch mit einem sentimentalen Touch und einem berührenden Twist überraschen kann.
Darum geht's
Kate (Emilia Clarke, 33) gehört zu den Menschen, die immer etwas verpeilt, tollpatschig und verwirrt sind und damit ihre Umwelt zum Rasen bringen. Stets auf der Suche nach einer neuen Bleibe für die Nacht, findet die rastlose Mittzwanzigerin dank Inhaberin Santa (Michelle Yeoh, 57) nur in ihrem Job in einem Weihnachtsladen so etwas wie Stabilität.
Ihre Mutter Petra (Emma Thompson) ist nach einer schweren Krankheit inklusive Operation, die Kate durchmachen musste, überbesorgt. Ihre Schwester Marta (Lydia Leonard, 37) macht Karriere und erhebt stets den Zeigefinger gegenüber der kleinen Schwester und ihren One-Night-Stands. Und ihr Vater? Der macht sich rar. Aber dann läuft Kate der sympathische Tom (Henry Golding, 32) über den Weg, der ihre inneren Mauern Stück für Stück niederreißt - auch wenn ihn selbst ein großes Geheimnis umgibt.
Lichterketten überall
Der erste Hauptdarsteller des Films ist die Stadt London selbst: Emilia Clarke wuchs im Londoner Umland auf. Sowohl Emma Thompson als auch Regisseur Paul Feig kennen sich in der Stadt ebenfalls exzellent aus und ließen das in den Film einfließen. Von einem geheimen Garten bis zu der engsten Straße Londons, der Jermyn Street oder Wiltons Restaurant: London als filmische Spielwiese zu wählen, schmückt den Film von Beginn an extrem - auch wenn Emilia Clarke in einem Interview offen zugab: "Wir haben so viele bunte Lichter zu all diesen Orten hinzugefügt, die eigentlich nicht so hübsch sind. Und ich dachte mir: Die Welt bekommt einen falschen Eindruck."
Hommage an George Michael
Den Film begleitet von Anfang an eine traurig anmutende Melancholie. Thompson holte sich für ihr Drehbuch den Segen und einige Ideen von George Michael persönlich - der dessen Fertigstellung jedoch nicht erlebte. Er starb bekanntlich überraschend am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2016. Außer des Titelsongs führen nun 15 weitere Lieder von George Michael und Wham! als späte musikalische Hommage durch "Last Christmas". "This is How (We Want You To Get High)" sticht dabei womöglich am meisten raus - dieses Jahr wurde der Song zum ersten Mal richtig veröffentlicht.
George Michael wollte übrigens sicherstellen, dass sich ein Element des Films mit Obdachlosen beschäftigt, weil ihm das Thema am Herzen lag. Henry Goldings Figur Tom arbeitet daher im Film ehrenamtlich in einer Anlaufstelle für Obdachlose - und bewegt damit stückweise auch Kate dazu, etwas für andere statt nur für sich zu tun.
Emilia Clarke ist die neue Königin der Komödien
Antagonistin zum Verlieben: Emilia Clarke schafft es, der egozentrischen Kate eine sympathische, hoffnungsfrohe Unschuld zu verleihen. Mit ihrem schlecht gefärbten blonden Haar und dem abgewetzten grünen Elfenkostüm erinnert sie an eine dreckigere Version der kindlich-eigenwilligen Fee Tinkerbell aus den gleichnamigen Animationsfilmen. Zwar kann einem ihr Laissez-faire ab und an ganz schön auf den Geist gehen, aber die Schauspielerin spielt die Rolle mit ihrer schusseligen Bridget-Jones-Attitüde so wunderbar frisch und herzlich, dass sie künftig eine Anwärterin auf Top-Komödien sein könnte. Dieser Aspekt ist es auch, der manche Schwächen im Mittelteil rettet.
Emma Thompson ist das extra Zuckerl
Zu den besten und originellsten Aspekten der Komödie zählt außerdem Emma Thompsons Darstellung der osteuropäischen Mutter Petra. Ursprünglich sollte Thompson nur das Drehbuch schreiben, aber Feig schrieb sie kurzerhand in den Film - zu Recht. Ihr mit starkem Akzent versehenes, bescheidenes Englisch, ihr düsterer Gesang, mit dem sie die geliebte Tochter Kate eines Abends in den Schlaf singen will und ihre dominante, hemdsärmelige Art, machen aus der Person eine sympathische Karikatur. Sie gibt dem Film eine menschliche Nuance, dank der "Last Christmas" zum Teil der Diversitätsdebatte wird.
Ganz viel Liebe - und ein unerwarteter Twist
Natürlich bleibt die für weihnachtliche Komödien typische Liebesgeschichte nicht aus. Im Gegensatz zu Kate scheint der bodenständige Tom mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Henry George stattet ihn mit romantischem Charme, Lebhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit aus. Die ganze Handlung und vor allem seine Person bleiben in eine rätselhafte Aura gehüllt, bis sie schließlich tuschartig die Maske fallen lässt. Zu viel soll hier nicht verraten werden, aber es überrascht doch positiv, dass der Twist von "Last Christmas" nicht das übliche Weihnachtsklischee bedient.
Fazit
Herz, Schmerz, Lachen, Weinen, Kitsch - und Liebe, immer wieder Liebe! "Last Christmas" ist genau der richtige Film für diese Jahreszeit. Er ist sicher kein ambitionierter Oscar-Kandidat und hat so manche Schwächen. Dank charmanter Charaktere, einem liebevoll gestalteten Setting und Emilia Clarke, die, umringt von Lichterketten, auch noch irgendwann "Last Christmas" schmettert, hüllt einen der Streifen in eine angenehme vorweihnachtliche Decke, in der nur noch der heiße Glühwein zum perfekten Abend fehlt.