Kritik: So was von da im Kino: Die Feier des Untergangs

Jakob Lass improvisiert in "So was von da" rauschhaft eine ganz besondere Clubnacht.
von  Carolina Zimmermann
Im Club: Niklas Bruhn und Tinka Fürst.
Im Club: Niklas Bruhn und Tinka Fürst. © DCM

Diese Nacht ist wie ein Gefäß, in das Oskar Wrobel und seine Freunde alle Erwartungen und Lebensträume hineinstopfen, bis es platzen muss. Und so fliegt dem Clubbesitzer Oskar am Ende auch alles um die Ohren, was er sich aufgebaut hat. Und zwar mit Ansage: Gleich in der ersten Szene von "So was von da" tritt ein Gangsterboss der Hamburger Unterwelt dem verkaterten Spätdreißiger die Tür ein und verlangt innerhalb von 24 Stunden sein Geld zurück. Um die Schulden kann sich Oskar jetzt aber nicht kümmern, er muss noch einmal richtig feiern, bevor sein Club am nächsten Tag der städtischen Abrissbirne zum Opfer fällt.

Der neue Film des Independent-Regisseurs Jakob Lass feiert Untergang und Zerfall. Da passt es, dass Lass nicht viel von detaillierten Plänen hält. Auf ein klassisches Drehbuch hat er schon bei "Love Steaks" und "Tiger Girl" verzichtet, er ist ein Meister der Improvisation, und seine Schauspieler und Schauspielerinnen sind es auch. Denn casten kann dieser Filmemacher gut: Franz Rogowskis Karriere ging kurz nach den Dreharbeiten zu "Love Steaks" durch die Decke und auch Niklas Bruhn als Oskar ist jetzt eine Entdeckung.

Feier-Szenen im Club sind echt

Weil "So was von da" eine Adaption des gleichnamigen Romans von Tino Hanekamp ist, in dem er rauschhaft das Hamburger Club-Sterben thematisiert, war Lass, was die Geschichte betrifft, dieses Mal nicht völlig frei. Aber sein Versuch, den ruhelosen Geist der Erzählung in Bilder zu übersetzen, ist gelungen.

Dass die Feierszenen, aus denen der Film fast ausschließlich besteht, so echt wirken, liegt eben daran, dass sie echt sind. 1.200 Menschen feierten vier Nächte lang in dem Hamburger Club und Lass und sein Team drehten einfach drumherum – ohne Drehbuch, mit ausschließlich frei improvisierten Dialogen und langen Einstellungen: ein Experiment, für das man Mut braucht. Mit diesem Zugang, ihn als Experiment zu sehen, lässt sich der Film auch am besten genießen. Denn die Nebenhandlungen dienen nur dazu, dieses am Laufen zu halten: Oskars Freund Rocky (Mathias Bloech) ist auf der Flucht vor seinem Rockstar-Ruhm und seiner Mutter (Corinna Harfouch). Die ist Innensenatorin und selbst auf der Suche: nach ihrem Mann, Rockys gerade aus dem Koma erwachten Vater (Bela B).

Sie landet im Club mit ihrem Leibwächter und bleibt im Aufzug stecken. Oskars große Ex-Liebe (Tinka Fürst) kommt vorbei, um ihm mitzuteilen, dass sie schwanger ist, und seine Freundin Nina (Martina Schöne-Radunski) ist unheilbar krank und nimmt diese dem Untergang geweihte Nacht zum Anlass, um ihm davon zu erzählen. Zum Glück ist Silvester und das Ende des alten Jahres ist der Beginn eines neuen. Alles passiert gleichzeitig in dieser Nacht, nirgendwo ist das Chaos aufzuhalten: So ließen sich wahrscheinlich auch Dreharbeiten an so einem Filmset beschreiben. So ist dieser Film nicht nur eine Ode an die Clubkultur der 90er, sondern auch ans Filmemachen selbst, das richtig knallt, wenn vieles dem Zufall überlassen wird. Fast wie im richtigen Leben.


Kino: Leopold, Atelier, Monopol R: Jakob Lass (D, 91 Min.)

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