Kritik: Ein Dorf zieht blank im Kino: Landlust auf Widerstand

Die französische Komödie "Ein Dorf zieht blank" thematisiert auch den politischen Konflikt zwischen Stadt und Provinz.
Margret Köhler |
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Bürgermeister Georges Balbuzard (François Cluzet) unterstützt die Bauern seines beschaulichen Dorfes Mele-sur-Sarthe bei den Protesten.
Concorde Bürgermeister Georges Balbuzard (François Cluzet) unterstützt die Bauern seines beschaulichen Dorfes Mele-sur-Sarthe bei den Protesten.

Mit Bauern ist nicht zu spaßen. Wenn sie sauer sind, kippen sie schon mal tonnenweise Obst oder Mist vor Ministerien, protestieren lauthals, weil‘s an Unterstützung fehlt. Und in Frankreich kommt das Asterix-Feeling der cleveren Gallier hinzu. Allein gegen den Rest der Welt, jetzt nicht mehr gegen die tumben Römer, sondern gegen die ungeliebten und eingebildeten Snobs in Paris, denen die Provinz schnurzegal ist.

In einer kleinen Gemeinde in der Normandie können die Menschen nicht mehr von der Landwirtschaft leben, die Banken sitzen ihnen im Nacken, die Angst vor Enteignung geht um. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen und erniedrigt. Aber auch ihre Wut nimmt zu.

Es geht nicht primär um die Nacktheit

In dieser miesen Stimmungslage taucht der US-Fotokünstler Blake Newman (Toby Jones) auf, der ein sensationelles Projekt mit den Bauern plant: Alle nackt wie Gott sie schuf auf dem Feld. Wenn das Foto medial um die Welt geht, sollten Subventionen und vielleicht auch ein paar Köpfe in der Regierung rollen.

"Wir haben doch schon blank gezogen und dann wollen Sie uns noch ausziehen?", fragt Bürgermeister George Balbuzard (François Cluzet mal wieder wunderbar, wenn er in Stiefeln durch die Gegend stapft) verdattert den Fotografen, findet dann aber Geschmack an der ungewöhnlichen Aktion. Nur muss er erst einmal die starrköpfigen Bewohner, vor allem die prüden Männer mit ihrer Furcht vor möglichem Lotterleben und mangelnder Moral, von der Sinnhaftigkeit überzeugen. Da wühlt Philippe Le Guay genüsslich in der Klischeekiste, macht die Figuren in ihrer Naivität aber nicht lächerlich, auch wenn der grantige Metzgermeister in bester Ehemanntradition seiner Frau rigoros die Teilnahme verbietet.

So richtig lächerlich dabei ist nur eine Pariser Familie, die schwärmerisch nur das Schöne sieht, von der schwierigen Wirklichkeit nichts wissen will. In dieser munteren, wenn auch manchmal vielleicht etwas seichten Rural-Komödie ohne Widerhaken geht es nicht primär um Nacktheit wie der reißerische Titel suggeriert, sondern in leichtem Ton um viel mehr - die Krise auf dem Land, Kritik an der Industrialisierung von Lebensmitteln, Billigfleisch und Billigmilch, Auswüchse der Tiermast, Verödung ganzer Dörfer, aber auch um Umweltverschmutzung durch Pestizide. Und natürlich um notwendigen Widerstand und Solidarität, die große Lust an der kleinen Subversion. Ohne die geht gar nichts.


Kino: ABC, City, Rio (auch OmU), Studio Isabella, Theatiner (OmU) | B&R: Philippe LeGuay (F, 105 Min)

Wir verlosen 5 x 2 Kinokarten. wer gewinnen will, schreibt bis Samstag an kultur@az-muenchen.de oder Abendzeitung Kultur, Garmischer Str. 35, 81373 München, "Ein Dorf zieht blank". (Ihre personenbezogenen Daten werden ausschließlich für die Abwicklung dieses Gewinnspiels verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.)

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