Kinofilm "Die Migrantigen" in der AZ-Kritik: Auf der Suche nach Problemen

Die österreichische Gesellschaftssatire "Die Migrantigen" zäumt das Thema Flüchtlinge ein wenig anders auf.
von  Martin Schwickert
Benny (Faris Rahoma, l.) und Marko (Aleksandar Petrovic) überlegen, wie sie aus der Sache rauskommen.
Benny (Faris Rahoma, l.) und Marko (Aleksandar Petrovic) überlegen, wie sie aus der Sache rauskommen. © Camino Filmverleih

Die Fernsehjournalistin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) scheint ein wenig enttäuscht. Wen sie auch fragt, die Menschen scheinen sich im (fiktiven) multikulturell durchmischten Wiener Vorstadtbezirk Rudolfsgrund ganz wohlzufühlen. Von Konflikten auf dem Markt mit den anderen Ständen weiß der Gemüsehändler nichts zu berichten. Auch der Anwohner ohne Migrationshintergrund lebt in dem Quartier seit 35 Jahren immer noch gern.

Vom erhofften Culture-Clash ist hier nichts zu spüren. Dann fällt ihr suchender Blick auf zwei Männer, die aus einem Wohnblock ein Sofa heraus tragen und sich darauf niederlassen. Die kleine Ordnungswidrigkeit weckt die journalistischen Instinkte der ehrgeizigen TV-Redakteurin. Sie suche für eine Doku-Soap Hauptdarsteller mit Migrationshintergrund "und den habt’s ihr ja“, stellt sie sich und ihr Anliegen vor. "Ja, leider“ antwortet einer der beiden nach einer langen Pause und die zwei Freunde beginnen in feinster Migranten-Diktion über ihr kleinkriminelles Leben zu berichten.

Klischees im Mittelpunkt

Ein gefundenes Fressen für das Fernseh-Team, das nicht ahnt, dass Omar und Tito in Wirklichkeit Benny (Faris Rahoma) und Marko (Aleksandar Petrovic) heißen und ihr ganzes Leben in Wien verbracht haben.

Marko ist ein waschechter Hipster, fährt ein 4.000 Euro teures Fahrrad und ist gerade dabei, seine eigene Werbefirma vor dem Konkurs zu retten. Benny ist ein Mittelstandsöhnchen, versucht als Schauspieler Fuß zu fassen, soll aber immer nur den türkischen Taxifahrer spielen, weil seine dunklen Haare ihn vermeintlich eindeutig als Migranten ausweisen.

Aber aus dem Jux entsteht ein TV-Engagement, das Benny eine Schauspielerkarriere eröffnen und Marko aus seiner finanziellen Misere retten könnte. Nur haben die beiden keine Ahnung, wie "richtige“ Ausländer so sind. Deshalb heuern sie den Türken Juwel (Mehmet Ali Salman) als Ausländer-Coach an, der ihnen zeigt, wie kleinkriminelle Migranten so leben. Das frisch erlernte Fachwissen, in dem sich alle Stereotypen aneinander reihen, spielen die beiden vor der Kamera nach. Und die Doku-Soap wird zum Quotenbringer.

Kritik an der Mediengesellschaft

Schon bald hat die fingierte Wirklichkeitsdarstellung Auswirkungen auf das Leben im Viertel. Mit dem multikulturellen Frieden ist es dahin, weil die Menschen den TV-Bildern mehr glauben als den eigenen Erfahrungen.

In Arman T. Riahis Spielfilmdebüt "Die Migrantigen“ mischt sich beschwingt komödiantisch die Dekonstruktion ausländerfeindlicher Klischees mit einer Kritik an der Mediengesellschaft, die sich weniger an den Tatsachen als an den Narrativen orientiert. Im Zeitalter alternativer Fakten“ gewinnt diese multikulturelle Screwball-Comedy, in der "echte“ und "falsche“ Aus- und Inländer munter übereinander stolpern, zusätzlich an Aktualität.


Regie: Arman T. Riahi (A, 98 Min)

Kinos: City, Gabriel, Monopol, Mathäser

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