Kino-Kritik Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Der Film ist eine kunstvolle Mischung aus Unterhaltung, Theater, Zeitgeschichte und Biopic: "Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm".
Bei der Eröffnung des Münchner Filmfests ging es nicht so frivol zu wie im Turnbridger Hurenhaus der "Dreigroschenoper". Aber es ging hoch her nach der Vorführung von "Mackie Messer". Denn sofort prasselten Vorwürfe auf den Debüt-Filmregisseur und Brechtologen Joachim Lang ein. Die gut zwei Stunden Film seien zu lang, die Figuren zu eindimensional, die Szenen zu künstlich. Und schnell sprang die Diskussion pseudofachsimpelnd auf ein Thema, das ganze Fachliteraturregale füllt: Bert Brechts ominöse Theater-Forderung nach dem "V-Effekt"!
Denn natürlich hat Joachim Lang die Idee beherzigt, dass Schauspieler ihre Rolle nicht "sind", sondern spürbar "zeigen" sollen. Und so passiert beim Zuschauer etwas Ungewohntes: Er wird nicht mit Illusionsmitteln wattiert in das Stück oder den Film hineingesogen. Sondern er bleibt außen vor, bleibt Beobachter. Ohne Kostüm-Parfüm und falsche Sentimentalität kapiert man mehr. Denn einerseits macht es einem die "Dreigroschenoper" mit ihren Kurt-Weill-Ohrwürmern und ihrer interessanten Gangster-Rotlichtmilieu-Geschichte leicht.
Zwischen Ausbetung und Korruption, Mord und Heiratsschwindel
Andererseits ist die Halb-, Aller- und Unterweltsgeschichte zumindest moralisch kompliziert: Peachum (Joachim Król) ist ein anständiger Vater, der um seine Tochter Polly (Hannah Herzsprung) besorgt ist. Aber Peachum ist auch Bettlerkönig, der den Mitleidseffekt bei uns Bürgern zynisch plant und die Ärmsten der Armen zwar mit Jobs versorgt, aber auch ausbeutet. Ein abenteuerlicher Vorstadt-Stenz ist unsere lässige Identifikationsfigur. Aber dieser Macheath (Tobias Moretti) ist ein mafiöser Mörder und Heiratsschwindler. Die Polizei ist korrupt, die Prostituierte sind verräterisch.
Doch "Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm" setzt noch eine Ebene drauf: Er erzählt parallel zum Theaterstück die Geschichte von der Premiere der "Dreigroschenoper" 1928 bis zur Flucht Brechts vor den Nazis einen Tag nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933.
Eine beißende Gesellschaftssatire
Und in Brechts politischen Kampf mischt sich noch ein anderer: Denn gegen alle Unkenrufe war die "Dreigroschenoper" ein Bombenerfolg und schnell wollten die Filmstudios mitverdienen – mit einem rührseligen "Dreigroschenfilm" mit Gassenhauern wie der "Mackie Messer"-Moritat und der "Seeräuber-Jenny", aber bitte ohne "V-Effekt" oder "sexuelle Hörigkeit" und alles entpolitisiert!
Brecht (Lars Eidinger) nahm das Geld, schrieb das Drehbuch und lieferte das, was er mit der "Dreigroschenoper" wollte: eine beißende Gesellschaftssatire. Er bekam einen Schadensersatz- und Urheberprozess an den Hals, der ihn finanziell fast strangulierte. Aber er benutzte ihn als Bühne gegen das Kunst-Establishment und für Autorenrechte.
Das alles erzählt Joachim Lang und lässt das Theaterstück, Brechts Kunst und Leben, Politik und Zeitgeschichte zwischen den aufwändigen, deutlichen Kulissen ineinander übergehen. Der langjährige Leiter des Brecht-Festivals bringt in diesen spannenden Wirbel sogar genügend Ruhe, damit man den Überblick behält. Das alles ist elegant, geistreich und gut gespielt. So ist "Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm" kein gewöhnlicher Unterhaltungsfilm, auch kein Politthriller oder klassisches Biopic. In seiner kunstvollen Mischung ist der Film alles zusammen – und das ist hier nicht zu viel.
Kino: Arena, Münchner Freiheit B&R: Joachim Lang (D, 130 Min.)