Kino: AZ-Filmkritik zu Sommerfest von Sönke Wortmann

Auf die Jugendliebe! Sönke Wortmann hat Frank Goosens Roman "Sommerfest" verfilmt.
Philipp Seidel |
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Alte Liebe: Stefan (Lucas Gregorowicz) und Charlie (Anna Bederke).
Tom Trambow/X-Verleih/dpa Alte Liebe: Stefan (Lucas Gregorowicz) und Charlie (Anna Bederke).

Die Hassliebe der Ruhrgebietsbewohner zu ihrer Heimat, dieses "Woanders is auch scheiße" ist immer wieder Thema in den Romanen von Frank Goosen. Vergangenes Jahr kam "Radio Heimat" (Regie: Matthias Kutschmann) in die Kinos, das diese Nachricht charmant verbreitete. Nun also "Sommerfest" von Sönke Wortmann. Auch hier: Schimpfen! "Die geistige Enge, das Spießertum, das ewige Gelaber von Arbeit und Fußball, die niedrigen Häuser und der ganze Dreck".
So spricht der Münchner Schauspieler Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz), der nach dem Tod seines Vaters für ein paar Tage in seine Heimat Bochum zurückreisen muss. Und das Ruhrgebiet antwortet in Form eines Großherz-Prolls: "In München? Wenn ich die nur reden hör, fang ich schon am kotzen." Man hat es nicht leicht als Gegend.

Über allem schwebt ein süßer Fluch aus alten Zeiten

Dieser Stefan Zöllner muss seinen Vater unter die Erde bringen und dessen Haus verkaufen, natürlich trifft er auch alte Freunde, mal den Inzwischen-Familienvater (Peter Jordan) mit der reizenden Gattin, mal die Nervensäge mit Herz (Nicholas Bodeux), die den armene Zöllner gleich mal zum Schrankschleppen in zwielichtiger Umgebung anheuert.
Und über allem schwebt, wie ein süßer Fluch aus alten Zeiten: Charlie (Anna Bederke) – Zöllners Jugendliebe. Von der ist ganz lange nichts zu sehen, aber jeder fragt: "Hast Du Charlie schon angerufen?" Denn Stefan und Charlie waren in ihrer Jugend das Traumpaar.

Pott-Personal lebt größtenteils vom prolligen Klischee

Einiges ist ein bisschen dick aufgetragen: Zöllner springt, noch mit wilder Theatermaske, direkt von der Münchner Bühne in den Zug nach Bochum, erst dort schminkt er sich ab. Man zeigt uns sehr, sehr deutlich: Erst hier, in der Heimat, bist du du selbst.
Das Pott-Personal lebt auch größtenteils vom prolligen Klischee – ganz ehrlich, Ruhrpottler: So schlimm kann es bei Euch doch nicht sein.
Dennoch: Der Film hat reichlich Herz, verströmt eine schöne Melancholie, feiert die Provinz mit ihren Kneipen und dem Sommerfest des Fußballvereins und lässt die wahre Liebe hochleben. Das ist schön.
Dass man den Film so gerne sieht, liegt vor allem an Lucas Gregorowicz, der den Heimkehrer still und staunend spielt. Wie er in seinem alten Kinderzimmer steht, wie er die letzten Spuren des Lebens seines Vaters betrachtet, der beim Essen tot vom Stuhl gefallen ist, das ist schon sehr berührend.
Wir sehen, wie ein verlorener Sohn nach Hause zurückkehrt. In die Heimat, die einen nicht vergisst. "Woanders weiß man selber, wer man ist", stellt Zöllner fest, "hier wissen’s die anderen. Das ist Heimat." Dass München hier nicht gut weggkommt – geschenkt. Wir verkraften das.


Kino: City, Monopol Regie: Sönke Wortmann (D, 92 Min.)
Regie: Sönke Wortmann
(D, 92 Min.)

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