Kevin Costners epischer Western "Horizon"

Seit zwei Wochen ist der sanft feministische Western-Versuch von Viggo Mortensen im Kino ("The Dead Don't Hurt"). Jetzt folgt ein viel größeres Epos: "Horizon" von Kevin Costner, an dem er seit 1988 arbeitet. Er hat nach eigenen Angaben 40 Millionen Dollar Eigenkapital in den geplanten Vierteiler zu je drei Stunden gesteckt. Zwei Teile sind abgedreht, der zweite Teil wird kommende Woche in Venedig gezeigt, hat aber bereits seinen US-Kinostart eingebüßt: Kein Verleiher will ihn ins Kino bringen, nachdem der Auftakt dort gefloppt ist. Costner dreht aber schon Teil drei.
Im jetzt anlaufenden ersten Teil gibt es viele verschiedene Erzählstränge um das Jahr 1860 herum und ein großes Personal wird eingeführt. Es ist die Frage, ob Costner mit weiteren sechs oder neun Stunden (je nachdem, ob der vierte Teil noch verwirklicht werden kann) zwei Dinge lösen kann: Wird er das Erzähl-Chaos ordnen, das den verschiedenen Gruppen während der Bürgerkriegszeit in den Westen folgt? Und: Welchen Stellenwert bekommt die Landnahme, die ja - hier in New Mexiko - auf dem Gebiet der Apachen stattfindet?
In Stereotypen gefangen
Die Landschaftsaufnahmen sind groß angelegt und pittoresk, wirken aber völlig abgenutzt. Herausgekommen sind bisher nur Klischees mit guten Schauspielern: Costner selbst taucht erst spät auf als einsamer Cowboy und ist natürlich der "Gute", der eine von männlicher Gewalt bedrohte Prostituierte (Abbey Lee) schützt.
Sienna Miller spielt eine mütterliche Siedlerin, deren Haus von einem Indianerangriff durchsiebt wird, der mit dem Tod von ihrem Mann und Freunden endet. Dazu gibt es den völlig naiv im Westen mit einem Treck Ankommenden, der erst lernen muss, dass hier Wassermangel (bitte nur trinken, die Verlobte sollte sich nicht waschen!) tödlich enden kann. Aber aus den Friktionen im Siedler-Treck schlägt der Film keine Funken, alles bleibt merkwürdig unexplosiv.
Vom britischen Naivling bis zum Gangster sind alle in Stereotypen und abgenutzten Gesten gefangen, teilweise wird es unfreiwillig komisch. Auch spürt man Hitze und Staub nicht wirklich, alle sind theatralisch zurechtgemacht und müssen Sätze aufsagen, die in ihrer pathetischen Künstlichkeit an die goldene Hollywood-Ära der 30er bis 50er-Jahre erinnern.
Ein Rückfall in Klischees
Wenn mal amerikanische Ureinwohner zu Wort kommen, dann immer gravitätisch. Zwischen den Generationen gibt es einen Konflikt: Der Häuptling ist friedliebend, pragmatisch und für den Rückzug, der Sohn heißspornig und kampfbereit.
Die seit Jahren etwas heftiger geführte Debatte um Political Correctness ist zwar oft lästig und dogmatisch, stellt aber im Ansatz richtige Fragen: Müsste man nicht bei einem Western die filmische Perspektive komplett umdrehen? Mel Gibson hat schon bei seinem Amerika-Entdeckungsfilm "Apocalypto" 2006 versucht, die Landung der Spanier auf Yucatán aus der Sicht der Maya zu erzählen.
Costner hat diese Richtung ja selbst 1990 vorgegeben, in dem er mit "Der mit dem Wolf tanzt" dem Genre eine aufgefrischte, indigenere Blickrichtung gab. "Horizon" ist dagegen ein Rückfall. Gleich zu Beginn rammt ein Siedler mit seinem Sohn einen Landvermesserstab in den Boden (als kleiner Gag: in einen Ameisenhaufen). Es ist die andere Seite des Flusses - noch Land der Indigenen. Auch wenn schon Handzettel kursieren, die die Stadt Horizon als nahes Zukunftsprojekt zeigen. Immobilienspekulanten versprechen den Pionieren eine blühende Stadt, aber die bauen erst einmal auf Sand. Nur das US-Militär (mit Sam Worthington als Leutnant) hält sich hier an Verträge und versucht, gesetzestreu die Siedler zu beschützen, sofern sie das Land der Ureinwohner in Frieden lassen. Glaubwürdig ist das nicht, hier wird das Militär zur einzigen rechtsstaatlich funktionierenden Institution stilisiert. Rassismus wird zu plakativ behandelt, wenn bei der Rekrutierung von Arbeitern für den Eisenbahnbau auf dem Ausschreibungsplakat "Keine Chinesen" steht.
Ein weiteres Problem ist die Musik. Von der ersten Sekunde an wird "Horizon" in schrecklicher, jede Wendung akustisch vorwegnehmender Filmmusik (John Debney) ertränkt. Ob dieses Projekt noch zu retten ist? In knapp zwei Wochen zeigt das Festival in Venedig den zweiten, ebenfalls dreistündigen Teil. Der erste Teil hat schon die falsche, aus der Zeit gefallene, pathetisch kitschige Grundstilistik.
Kino: Astor im Arri, Solln, Royal, Museum-Lichtspiele, R: Kevin Costner (USA, 180 Min.)