"Jungle Cruise": Zwei wie Hepburn und Bogart

Plötzlich, mit atemloser Rasanz veranschaulicht dieser Film, wie das in der Natur funktioniert mit der Nahrungskette, beginnend mit einer Ameise, die mit ihren Beißerchen durch ein Blatt fräst, aber dann selbst verschlungen wird. Das Auge kommt kaum mit bei dieser Tötungsorgie, eine Spinne kommt auch vor, frisst und wird gefressen, bis zuletzt zwei Vögel sich in der Luft um die allerletzte Beute streiten.
Der Größere verspeist den Kleineren, muss aber ständig aufpassen, dass er nicht selbst zum Opfer wird. Und hat dabei einige Konkurrenz auf dem Nahrungsmarkt. Für einen Familienfilm wie "Jungle Cruise" ist das doch eine bemerkenswerte Sequenz, die sich auch als Metapher für die Filmindustrie eignet. So gehört Disney schon lange zu den expansionsfreudigen Big Playern im Entertainmentgeschäft und mischt seit 2020 mit Disney Plus auch im Kampf der Streamingdienste mit. Zu den Einnahmequellen des Konzerns gehören zudem die Vergnügungsparks, an deren Konzeption noch der gute alte Walt selbst mitwirkte.
Eine Bootsfahrt auf den größten Flüssen der Welt
Als das erste Disneyland im kalifornischen Anaheim am 17. Juli 1955 aufmachte, stand die "Jungle Cruise" bereits auf dem Programm: eine Bootsfahrt auf den größten Flüssen der Welt, bei der man sich an den Wundern des Dschungels erfreuen kann, plus eingestreuter Gruselmomente. Eine Inspirationsquelle für die tuckernde Geisterbahnfahrt im Wasser war John Hustons "African Queen" von 1951, mit Humphrey Bogart als kernigem Dampferkapitän und Katharine Hepburn als missionarisch-strenger Passagierin.
Der Film basierte auf C.S. Foresters Roman von 1935, wobei Forester sein Material aus einer Expedition der Briten im Kampf gegen die deutschen Kolonialisten anno 1915 schöpfte. Die Fiktion verschlingt die Realität - und die Verwertungskette geht nun mit "Jungle Cruise" heiter weiter.
"Jungle Cruise"-Bootsführer begeistern auch im Disneyland
Es ist zunächst mal der Disney-Film zur firmeneigenen Themenparksause, mit Emily Blunt als Forscherin Lily und Dwayne Johnson als Skipper Frank. Zu Beginn lotst Frank Touristen durch die "Gefahren" des Amazonas und haut einen Spruch nach dem anderen raus - so, wie es die realen, ebenfalls weiß bekappten "Jungle Cruise"-Bootsführer weltweit in einigen Disneylands tun.
Der Film spielt jedoch zur Zeit des Ersten Weltkriegs, als Deutschland sich noch als Kolonialmacht verstand. Als "Prinz Joachim" gibt Jesse Plemons einen knallkomischen Schergen ab - und ist auf der Suche nach einem Baum, der magische Heilkräfte besitzen soll. Am selben fabulösen Gewächs sind aber auch Lily und ihr Bruder McGregor (Jack Whitehall) interessiert, weshalb sie sich von Frank den Amazonas herabschippern lassen. Wenn sich der muskulöse Bootsmann und seine grazile Passagierin nicht gerade kabbeln, müssen sie sich vor Wasserfällen retten oder böse Feindesattacken abwehren.
Emily Blunt: wie ein weiblicher Indiana Jones
Als Liebespaar taugen Blunt und Johnson dabei auf den ersten Blick nicht. Aber haben wir das bei Bogart und Hepburn nicht zunächst auch gedacht? Anklänge an "African Queen" lassen sich in Jaume Collet-Serras Blockbuster genauso entdecken wie Reminiszenzen an Abenteuerfilme neueren Datums. Emily Blunt wirkt wie ein weiblicher Indiana Jones, und wenn in der zweiten Filmhälfte zwei Zombie-Konquistadoren loslegen, erinnert "Jungle Cruise" verstärkt an die "Pirates of the Caribbean"-Filme, die ja auch auf einem Disney-Freizeitpark-Ride beruhen und ebenso krude ins Phantastische abgleiten.
Die Effekte nehmen sich in der Häufung gegenseitig ihren Reiz, aber die Chemie zwischen Blunt und Johnson funktioniert so überraschend gut, so dass man ihrer wilden Fahrt gerne folgt. Und sich über die Referenzen freut: Eine für die Zeit des Ersten Weltkriegs neumodische Kurbelkamera hat Lily auf Franks Boot dabei.
Einmal greift Frank sich das seltsame Ding und filmt sie damit. Da beschwört "Jungle Cruise" kurz die Magie des Stummfilms, erinnert inmitten bunter CGI-Bilder an eine Zeit, als ein paar tonlose Schwarz-Weiß-Aufnahmen schon ausreichten, um sich in einen Star zu verlieben.
Kinos: CinemaxX (DF und OF), Cinema (OF); ab Freitag streambar für Disney-Plus-Abonnenten plus Zuzahlung von 21,99 Euro