Juliane Köhler in der Bredouille: Wahrheit will ans Licht

Spannend, komplex, differenziert und eine überragende Juliane Köhler: „Zwei Leben” ist ein Geschichts- und Familiendrama
von  Adrian Prechtel

Weiß ich, was meine Großeltern im Dritten Reich gemacht haben? Die meisten haben versäumt, genauer zu fragen oder nicht alles zu glauben, was erzählt wurde.

Aber Geschichte geht weiter, die deutsche Unrechtsgeschichte vor allem in der ehemaligen DDR. So rückt auch die Aufarbeitung zeitlich weiter: „Zwei Leben” schlägt dabei einen spannenden großen Bogen: Den Hintergund bildet die deutsche Besetzung bis 1945. Besatzerkinder mit Norwegerinnen wurden in NS-Lebensbornheime verschleppt. So wuchsen manche dann in der DDR auf und konnten nicht nach ihren Müttern suchen.

Juliane Köhler spielt eine dieser Frauen. Aber ihr gelang 1969 die Flucht, sie fand ihre Mutter, heiratete einen norwegischen Marineoffizier... So scheint es. Aber wie in einem guten Drama liegen bereits schwere nordische Regenwolken über der Geschichte.

„Zwei Leben” ist so ein Thriller, der packend über eine radikale, persönliche Familiengeschichte erzählt wird. Juliane Köhler muss – auch in vielen Nahaufnahmen – alles in ihr Gesicht einschreiben: die Liebe zu ihrer Familie, Skrupellosigkeit, um zu retten, was zu retten ist, den Verrat, der wie ein langer Schatten über dem Glück liegt, dann Angst, als viele Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR ihre wahre Identität aufzukommen droht. Das ist große Schauspielkunst, und „Zwei Leben” bewirbt sich um eine Oscar-Nominierung.

Behandelt wird die bedrohliche Frage: Soll man Dinge auf sich beruhen lassen oder mit der Wahrheit Katastrophen auslösen, die – vielleicht – niemanden nutzen? Der Film schlägt sich auf die Seite der Wahrheit. Er zeigt ihre Härte und dass sie ans Licht drängt, weil man mit Lebenslügen und Verdrängungen auch sein Leben kaputt macht. Und: Wer sich einmal in die Hand des Teufels begibt, wird ihn nicht mehr los.

Dabei ist die Handlung kompliziert, muss der Zuschauer um immer neue Ecken blicken, hinter denen sich alles ändernde Erkenntisse oder neue Rätsel verborgen hatten. Vielleicht hätte man alles vereinfachen können, aber die Wahrheit ist eben oft komplex.

Kino: Eldorado, Münchner Freiheit, Rio, Solln
R: Georg Maas (D, No, 97 Min.)

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