Johnny Depp, Sean Penn, Wim Wenders: Das bietet das Filmfestival 2023 in Cannes

Aus deutscher Sicht ist das 76. Festival du Cannes bereits ein voller Erfolg, ehe es am Dienstagabend mit Johnny Depp beginnt. Er spielt König Louis – nicht den Vierzehnten, aber denjenigen danach.
Der musste den finanziellen Scherbenhaufen des Sonnenkönigs aufkehren, lebte aber trotzdem lustig in Versailles, inklusive mächtiger Maitresse, der Gräfin du Barry, die eigentlich Tochter einer Näherin und eines Franziskanermönchs war.
Cannes 2023: Johnny Depp in Aufsteiger-Story um den Sonnenkönig-Nachfolger
Eine fantastische Aufsteiger-Geschichte also, die sich die Französin Maiwenn in einer Doppelfunktion als Regisseurin und in der Rolle des Comtesse vorgenommen hat.

Sie kombiniert hier gleich mal US-Starrummel – Depp muss hier auf Französisch spielen – und modernen femininen französischen Stolz. Und insofern liegt auch eine Kontinuität darin, dass das offizielle Riesenposter, das das Palais du Festival ziert, Catherine Deneuve zeigt –allerdings 1968 in Saint Tropez.
Filmfestival in Cannes: Sean Penn spielt einen alten Sanitäter in New York
Julianne Moore und Natalie Portman sind in Todd Haynes' "May December" zu sehen und Jude Law als alter Heinrich VIII. mit Alicia Vikander als sechster Ehefrau – die ihn überleben wird. Sean Penn darf einen alten Sanitäter in New York spielen ("Black Flies").
Und außerhalb des Wettbewerbs mit seinen 21 Filmen stellt Harrison Ford den letzten Teil der "Indiana Jones"-Saga vor: "Das Rad des Schicksals".
Cannes 2023: Wim Wenders wartet mit Doku über seinen Künstlerfreund Anselm Kiefer auf
Dass diesmal wieder auch die Deutschen was zu lachen haben, dafür sorgt ein Altmeister: Wim Wenders (77), der hier mit "Paris Texas" 1984 die Goldene Palme gewonnen hat, ist wieder im Wettbewerb mit der Geschichte eines Toilettenputzers in Tokio: "Perfect Days" – und der Titel ist nicht zynisch gemeint, weil der Mann ungestresst Zeit hat, seinen Leidenschaften nachzugehen: Bücher und Musik.
Und weil Cannes überhaupt auch ein treues Festival ist und seine Regisseure liebt, hat Wenders auch noch für eine Spezialvorstellung seinen Dokumentarfilm über seinen Künstlerfreund Anselm Kiefer mitgebracht: "Anselm – Das Rauschen der Zeit".
Wieder eingeladen sind auch die alten Heroen Nanni Moretti, Aki Kaurismäki, Marco Bellocchio, Hirokazu Koreeda und der linke Kämpfer Ken Loach (86). Und damit nicht alles so nach "alten weißen Männern" aussieht, sind auch sieben Regisseurinnen im Wettbewerb, darunter die Österreicherin Jessica Haussner, die Italienerin Alba Rohrwacher und die Französin Catherine Breillat, die erotisch freizügige, oft irritierende Geschichten erzählt: wie diesmal eine Mutter-Stiefsohnliebe.
Catherine Corsinis erzählt in "Le retour" von der Rückkehr einer Frau nach Korsika,wo sie verbrannte Erde hinterlassen hatte.
Sandra Hüller in Cannes in gleich zwei Rollen zu sehen
Als vor sieben Jahren Maren Ade mit "Toni Erdmann" in den Wettbewerb aufgenommen war, glaubten alle (Kritiker, Branchenblattmacher, Kaffeesatzleser) an einen Triumph für den deutschen Film – der dann bei der Goldenen Palme ausblieb.

Aber der Film wurde ein internationaler Erfolg – mit Sandra Hüller, die von Cannes aus einen fantastischen Karriereschub bekam. Jetzt spielt sie gleich in zwei Filmen des Wettbewerbs: in Jonathan Glazers Verfilmung von Martin Amis' irritierendem Roman "Interessengebiet" über die Familie des Auschwitz-Lagerkommandanten Rudolf Höss, und im französischen Schriftstellerinnen-Krimi "Anatomie d' une chute".
Die Streamingdienste sind beim Filmfestival in Cannes ein Politikum
Und vielleicht sollte man als deutschen Aspekt auch verbuchen, dass Iris Knobloch, die Tochter von Charlotte Knobloch, seit vergangenem Sommer Festivalpräsidentin ist – als erste Frau und Nicht-Französin. Allerdings wird ihr aufgrund ihrer vorherigen Tätigkeit für das Major-Studio Warner und einen Streamingdienst eher US-Freundlichkeit attestiert.
Die Streamingdienste sind in Cannes ein Politikum: Sie sind von der offiziellen Auswahl ausgeschlossen, weil sich das Festival an der Cote d'Azur noch als Kinofestival versteht – exklusiv!