Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hofman im Duell: Harter Spaß am Psychogramm

Von Männern, Macht und Gesellschaft: „The Master” von Paul Thomas Anderson zeigt mehr als die Geburt der Scientology Church
von  Adrian Prechtel

Frösche regnen auf Tom Cruise vom Himmel in „Magnolia”, Mark Walberg überzeugte extrem gut bestückt in „Boogie Nights”, texanische Ölfontainen verschmieren Daniel Day-Lewis in „There Will Be Blood”: Filme von Paul Thomas Anderson hinterlassen Bilder beim Zuschauer.

In „The Master” sind es eher die Schauspieler, die sich intensiv in unsere Erinnerung hämmern: Joaquin Phoenix – oscarnominiert als Hauptdarsteller für seine physisch-radikal, halb wahnsinnige Darstellung – spielt einen nervenzerriebenen Koreakriegs-Veteran. Er ist – als Borderliner, Traumatisierter – eine tickende Zeitbombe, „on the road”, einer, der sich durchs Leben schlägt mit Gelegenheitsjobs, immer aneckt und droht, ins endgültige Abseits zu laufen.

Aber er gerät in die merkwürdige Freundschaft mit einem Abenteurer und Gesellschaftssegler, Science-Fiction-Autor und Psycho-Scharlatan, der ihn rettet, stützt und doch als Versuchskaninchen seiner Psycho-Methoden missbraucht: wunderbar größenwahnsinnig, lebenshungrig, jovial, dann wieder ins Herrische kippend gespielt von Philip Seymour Hoffman (auch oscarnominiert, ebenso wie Amy Adams, die seine Lebensgefährtin spielt).

Kann man akzeptieren, dass man so tragi-komisch der skurrilen Gründung der Scientology Church zuschaut, ohne dass sie in ihrer späteren Furchtbarkeit vorkommt? Denn nur die Anfänge der grausamen, persönlichkeitszersetzenden Versklavung bei gleichzeitigem Befreiungs-Versprechen blitzen gefährlich auf. Aber dieser Film ist kein pädagogischer Warnhinweis. Und Paul Thomas Anderson betont – auch als Selbstschutz vor juristischen Kämpfen –, dass er seine Geschichte nur leicht an Sektengründer L. Ron Hubbard angelehnt hat.

Aber wenn am Ende Hoffman in einem sakralen Empfangshallen-Zimmer den sich langsam emanzipierenden Phoenix empfängt, und der durch einen klein machenden Riesenraum auf den mächtigen Schreibtisch zuschreiten muss, so spürt man das größenwahnsinnige Mussolini-Prinzip dieser merkwürdigen Herrenmenschen-Science-Fiction-Sekte, die sich Kirche nennt. Gleichzeitig ist dieser Film aber auch ein amüsant-kitzelndes Psychogramm der USA in ihrer Wirtschaftswunderzeit, die viele spirituelle Fragen offen lässt. Man erlebt die Oberen Zehntausend in ihrer dekadenten Lust am Spiritistischen, Pseudo-Wissenschaflichen.

Kino: Leopold, City (OmU), Monopol (auch OmU) sowie Cinema und Museum Lichtspiele (OV)
R: Paul Thomas Anderson
(USA, 144 Min.)

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