Internationale Hofer Filmtage: Berührendes Familientreffen

Hof - Bei den 56. Internationalen Hofer Filmtagen feierte das vorwiegend heimische Publikum den Film zahlenmäßig fast auf Vor-Corona-Niveau. Traditionsgemäß stand das deutsche Filmschaffen im Fokus. Auch wenn nicht jedes Nachwuchswerk für Begeisterung sorgte, gab es doch einiges bei den über 60 Spiel- und Dokumentarfilmen zu entdecken, auch wenn es mühsam war, eine Programmstruktur auszumachen.
Memoiren eines KZ-Häftlings
Um die Dialektik der Schuld ging es in Bernd Michael Lades "Der Zeuge", basierend auf den Memoiren des KZ-Häftlings Carl Schrade über seine Zeit von 1934 in fünf Konzentrationslagern bis zur Befreiung aus dem KZ Flossenbürg. Der Dresdner Tatort-Kommissar Lade spielt die Hauptfigur selbst und bündelt deren Aussagen nach den realen Gerichtsprotokollen des Flossenbürg-Hauptprozesses, in dem der vermeintliche "Kriminelle" als Kronzeuge auftritt.
In dem an die Nieren gehenden Kammerspiel wirft er den SS-Schergen in dem Kriegstribunal ihre grausamen Taten vor, die versuchen, sich mit Ausreden zu rechtfertigen. Ein schonungsloser und verstörender Blick in die Vergangenheit.
Starker Dokumentarfilm über junge Alkoholiker
Stark präsentierte sich der Dokumentarfilm. Elizaveta Snagovskaia schockierte mit "Letzte Runde". Die Russin, die an der HFF-München Dokumentarfilm und Fernsehjournalismus studiert, beobachtet vier junge Alkoholiker, zwei in Russland, zwei in Deutschland, darunter eine 35-jährige Moderatorin in München, die auf einen Mittelweg zwischen Absturz und Abstinenz hofft.
Alkohol gehört in beiden Ländern zum Alltag, ist gesellschaftlich eingebunden. Trinken, um zu funktionieren. Funktionieren, um zu trinken. Ein Teufelskreis. Überraschend: In Russland und Deutschland wird die gleiche Menge pro Kopf an reinem Alkohol getrunken.
Ein Highlight: "Acht Geschwister"
Als absolutes Highlight galt Christoph Weinerts berührende Doku "Acht Geschwister". Er begleitet sechs Brüder und zwei Schwestern beim jährlichen Geschwistertreffen, diesmal nicht wie üblich im Harz, sondern am Ort ihrer Kindheit und Jugend, im früheren Pommern.
Trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe verloren sie nie den Kontakt, sind sie immer noch eng miteinander verbunden. Die Erzählungen der zwischen 1933 und 1943 Geborenen führen in eine spannende Familien- und jüngere deutsche Geschichte. Faszinierend für Jung und Alt.
Kurzfilm über iranische Aktivistin
Premiere feierte auch der Kurzfilm "Noghreh" (Silver) der Iranerin Donya Madani. Am Flughafen Teheran wurden ihr Pass und Visum abgenommen. Erst als sie vor einem Gericht unterschrieb, in Deutschland Kopftuch zu tragen und nicht negativ über ihre Heimat zu reden, durfte sie ausreisen. Ohne Kopftuch forderte die Aktivistin nun in einer packenden Diskussion zur Unterstützung der Frauen und dem Kampf um ihre Rechte auf. Auch auf die Gefahr hin, nach der Rückkehr im Gefängnis zu landen.
Gute Stimmung, schlechtes Ticketsystem
Ein Fazit? Die Stimmung war gut, die Filme machten neugierig auf den Nachwuchs, der das Festifal fleißig als Network-Plattform nutzte. Ein unausgereiftes Online-Ticketsystem nervte, die meisten Zuschauer kehrten zum Papierticket zurück, Festivalleiter Torsten Schaumann war zwar online sehr präsent, man hätte ihn aber gerne mehr "live" vor Ort gesehen, bei Vorführungen oder im beliebten Treffpunkt "Hotel Strauß".
Eine Hommage fehlte
Vermisst wurde eine attraktive Retro, die schöne Hommage an den im September gestorbenen, unangepassten Roland Reber und sein Kollektiv scheint aus der Not geboren. Und dass man nicht auf die Idee kam, vielleicht einen Tag vor Start das mitreißende Porträt "Werner Herzog - Radical Dreamer" zu programmieren, irritiert.
Traditionelles Fußballspiel
Punktete Werner Herzog doch nicht nur mit Filmen in Hof, sondern ist Gründungsmitglied des Teams FC Hofer Filmtage des traditionellen Fußballspieles der Filmschaffenden gegen die Hofer vom FC Filmwelt. Er hält mit 14 Spielen zwischen 1968 und 1993 den Rekord des Torschützenkönigs. Das Fußballspiel verlor in diesem Jahr der FC Hofer Filmtage übrigens 4:5.