In Hitlers Badewanne: Kate Winslet als "Die Fotografin"
Der Zeitgeist sucht sich seine Kinogeschichten: Frauen rücken in den Mittelpunkt, aber ohne als Objekt der Begierde im Fokus zu sein. Auch hinter der Kamera stehen immer mehr Frauen. Und so ist "Die Fotografin" ein Film über die starke Lee Miller, gedreht von der ehemaligen Kamerafrau Ellen Kuras, und auch das Drehbuch wurde von Frauen verfasst - basierend auf der Biografie der Fotografin, die ihr Sohn geschrieben hat, mit dem Kate Winslet seit 10 Jahren zusammengearbeitet hat - für ihr Filmprojekt, das sie auch mitproduziert hat.
Wer den Namen Lee Miller noch nicht gehört hat, kennt vielleicht ikonische Bilder von ihr - wie ihr Selbstporträt im Mai 1945 in Hitlers Badewanne am Prinzregentenplatz im zerstörten, US-befreiten München. Es ist ein Bild, das den Triumph über den Nazismus und feiert: eine In-Besitznahme, Reinigung, zivile Geste nach dem Weltkrieg. Zuvor hatte Lee Miller als erste Fotografin die Befreiung des KZ Dachau und Buchenwald dokumentiert. Das zeigt der Film ungeheuerlich direkt. Als Zuschauer ringt man hier um schützende Distanz, so wie Lee Miller versucht, im Angesicht des Todes und der Bestialität mit der Kameralinse ein Minimum an Abstand zwischen sich und die Wirklichkeit zu bringen.

Kämpfe über Kämpfe
"Die Fotografin" erzählt dabei nicht nur Lee Millers Einsätze als Kriegsfotografin. Er zeigt auch ihren Weg dorthin - von der Arbeit für die "Vogue" mit Models an der Côte d'Azur, der Begegnung mit einem arroganten, aber faszinierenden Briten über ihren Kampf, als Frau überhaupt mit den Truppen mitgenommen zu werden bis zum Kampf, das, was sie erlebt, fotografiert hat, in den Medien zu platzieren. Denn hier herrscht an den Entscheidungsstellen die Meinung: Unterhaltung verkauft sich besser als Krieg, Tod und Horror.
Psychologisch gut vorbereitet ist die Frage, was eine Mittdreißigerin aus den USA, die in Europa lebt, als Militärkorrespondentin an die Front treibt: Es ist eine Mischung aus Langeweile über die Oberflächlichkeit der Mode- und Gesellschaftswelt und ein Desinteresse an Bürgerlichkeit, die Frauen zu wenig Raum einräumt.

Bei alledem stellt sich aber die Frage, ob die Tatsache, dass Lee Miller als Frau fotografierte, auch zu einem anderen Blickwinkel führt? Das beantwortet der Film nicht. Ästhetisch fällt auf, wie zerzaust, verstaubt, zerschunden und zerrüttet sich Kate Winslet als Lee Miller in Szene setzenlässt. Auch das ist ein Spiegel des neuen, weiblichen Umgangs mit Körperlichkeit, den Winslet in Auftritten und Interviews der letzten Monate auch propagiert: selbstbewusste Natürlichkeit. Auf dem Filmfest München hatte sie den Frauen im Publikum zugerufen: "Schwört, dass ihr nie wieder Scham empfindet wegen eures Körpers oder eines Schönheitsmakels."

Vom Alkohol zerrüttet
Zu diesem Naturalismus passt auch die Rahmenhandlung des Films. In einem Interview-Gespräch blickt Lee Miller kurz vor ihrem Tod 1977 auf ihr Leben zurück, und Kate Winslet wird dafür zu einer alten, von Alkohol zerrütteten Frau zurechtgemacht. Aber der abgenutzte Trick, einen Menschen in Rückblicken sein Leben erzählen zu lassen, ist hier eine dramaturgische Bremse, wenn Lee Millers Leben zwischen 1938 und 1947 nacherzählt wird. Denn eine Reflexion, ob Lees Leben und Werk am Ende gescheitert sind, findet nicht statt. Die Interviewsituation bleibt rätsel- und bruchstückhaft. Der Film hat keine wirkliche Zentralidee und damit kein Zentrum.
Aufgedeckt werden dabei aber Traumata wie ein sexueller Missbrauch als Kind, eine Vergewaltigung in der Anarchie des befreiten Paris. Zusammen mit den Kriegserfahrungen und dem Gefühl, mit ihren Dokumentationen nicht in die Mitte der Gesellschaft durchgedrungen zu sein, bildet das aber natürlich einen Cocktail, der Lees Alkoholismus bis zu ihrem Tod 1977 mit 70 Jahren erklärt.
K: Astor im Arri, Gloria, Solln, Maxim, Rex, Rio sowie City, Mathäser (auch OmU) und Cinema, Museum (OV)
R: Ellen Kuras (GB, 117 Min.)
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- Filmfest München