"In besten Händen": Hoppla, jetzt komm' ich, oder?

Eine dramatische Gesellschaftsanalyse mit Komik: Das französische Meisterwerk "In besten Händen".
von  Adrian Prechtel
Ein grandioses On-Off-Paar in zugespitzter Situation: Valeria Bruni Tedeschi und Marina Foïs.
Ein grandioses On-Off-Paar in zugespitzter Situation: Valeria Bruni Tedeschi und Marina Foïs. © Alamode Film

Ob Thuja-Hecke, immer der gleiche Urlaubsort, Auto statt Bus und U-Bahn: Es gibt bei den meisten Menschen die Tendenz, sich abzuschotten. Denn Begegnungen mit andern Milieus, Denkweisen, Kulturen irritieren oder sind zumindest anstrengend. Komödien entwickeln dabei oft ihre Funken aus so einem Culture-Clash. Aber "In besten Händen" von Catherine Corsini spielt an einem Ort, an dem einem das Lachen schon mal vergehen kann - im Krankenhaus. Vor allem, wenn die Situation in der Notaufnahme und den Stationen dahinter sich fast zu einer Triage zugespitzt hat. Da kommt eine narzisstische Frau aus besserem Pariser Viertel mit Armbruch, die meint, jetzt müsse sich alles um sie drehen, gerade recht…

"In besten Händen" ist also ein Drama mit komischen Aspekten, weil der italienische Star Valeria Bruni Tedeschi als hypochondrische Hysterikerin Raf eine Woody-Allen-hafte Dauerkrisenbeziehung mit ihrer Freundin (Marina Foïs) hat. Beim wieder mal konkreten Hinterherlaufen nach einer der vielen Trennungen bricht sich Raf den Arm und landet im Krankenhaus. Und hier bricht in die Beziehungs-Tragikomödie die brutale Realität ein, weil gerade die Gelbwesten-Proteste zu bürgerkriegsartigen Zuständen eskalieren, es Hunderte verletzte gibt und das Krankenhaus zum gesellschaftlichen Krisenort und Spiegel wird. Denn im Chaos des überlasteten und unterfinanzierten Gesundheitssystems sind erst einmal alle gleich, auch wenn manche das nicht einsehen wollen.

Modern-liberale Frauenfiguren und ein verletzter Lastwagenfahrer

Als interessante Gegenfigur zu den hippen, modern-liberalen Frauenfiguren wird im Film ein in der Revolte verletzter Lastwagenfahrer (Pio Marmai) aus der Provinz, dessen soziale Realität und drohender Arbeitsverlust seine Protestwut gleich weniger idiotisch oder rechts-verblendet aussehen lässt, als das den Frauen in ihrem arrogant eingerichteten Weltbild recht wäre. Auch das ist ein guter Beitrag zur aktuellen Präsidentenwahl zwischen saturiertem, studiertem, urbanen (Wirtschafts-)Liberalismus à la Macron und provinzieller und vorstädtischer Wirklichkeit, wo dann rechtspopulistische Ideen gut verfangen, auch aus dem Gefühl, mit Sorgen und Lebensproblemen politisch überhaupt nicht repräsentiert zu sein.

"Fracture" heißt der Film im französischen Original und meint eben nicht nur den Armbruch von Raf oder den Beziehungsbruch, sondern den, der durch die Gesellschaft geht. Es ist ein Klassenkampf im Mikrokosmos des im Straßenkampf eingeschlossenen Krankenhauses. Und bei aller Perfektion meint man, das Authentische durch die vielen Laiendarsteller und das original Krankenhauspersonal mitzuspüren. Und am Ende ist das Ganze ein Drama, in dem die halbintellektuellen Bourgeoisie-Frauen aus ihrer Komfort- und Vorurteilszone herausgerissen werden und nachdenken müssen, was sich sozial radikal ändern muss. Und das gilt nicht nur für Frankreich.

Dass man in diesem Film atemlos mitfiebert, die Situation des Eingeschlossenseins hautnah miterlebt und trotzdem Zeit zum Lachen findet, ist die große Stärke eines weiteren französischen Meisterwerks des filmischen Erzählens.

Kino: City sowie Monopol (auch OmU) und Theatiner (OmU)
R: Catherine Corsini (F, 99 Min.)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.