Im Spiegelsaal

Mit viel Erotik und noch mehr falschen Fährten lässt Frankreichs Regie-Wunderling François Ozon eine schmerzgeplagte Frau erfahren, welche Geheimnisse "Der andere Liebhaber" verbirgt.
Andreas Fischer |
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In den Armen ihres Therapeuten Paul (Jérémie Renier) fühlt sich Chloé (Marine Vacth) sicher. Aber nicht lange.
2017 JEAN-CLAUDE MOIREAU / MANDARIN / FOZ / MARS / WELTKINO In den Armen ihres Therapeuten Paul (Jérémie Renier) fühlt sich Chloé (Marine Vacth) sicher. Aber nicht lange.
Es ist ein Labyrinth der Zerrspiegel, dass François Ozon in seinem neuen Film aufbaut. Im Spiel mit der Wahrnehmung ist der französische Regisseur
ein Meister. In seinem neuen Film "Der andere Liebhaber" treibt er es aber auf die Spitze, wenn er eine junge Frau in die Arme von Zwillingsbrüdern treibt, die äußerlich identisch, im Inneren aber grundverschieden sind. Was man in den Spiegeln sehen soll, das sind erotische Fantasien, Täuschungsmanöver, Abgründe des Verlangens. Was man wirklich sieht, sind handwerklich perfekt inszenierte Oberflächen. Weil sie unter mysteriösen Bauchschmerzen leidet und ihr Ärzte nicht helfen können, sucht Chloé (Marine Vacth) Hilfe bei einem Psychotherapeuten. Paul (
Jérémie Renier ) findet zwar die Ursachen für ihr Leiden auch nicht, dafür werden die beiden aber ein Paar. Das ist nicht nur ungewöhnlich, weil Psychologen lieber keine Beziehung mit Patientinnen
eingehen sollen, sondern auch gefährlich. Denn Paul hat einen Zwillingsbruder, der im selben Beruf arbeitet. Und zu dem fühlt sich Chloé ziemlich hingezogen: Louis aber ist das komplette Gegenteil zum sanftmütigen Paul. Arrogant, brutal, hemmungslos. Ein verzerrtes Spiegelbild seines Bruders? Oder ein Alter Ego, das Es zum Über-Ich? Bei Ozon kann man sich ja bis zur letzten Einstellung nie sicher sein, wohin die Reise geht. Das ist bei "Der andere Liebhaber" nicht anders. Allerdings verliert man im erzählerischen Metaphern-Wirrwarr seines neuen Werkes, das lose auf dem Roman "Lives of the Twins" (deutscher Titel: "Der Andere") basiert, den Joyce Carol Oates unter dem Pseudonym Rosamond Smith veröffentlichte, komplett die Orientierung. Eifersucht, Verlustängste, sexuelle
Gewalt, Konkurrenzkämpfe - überall lauern neue Abgründe, die zudem immer auch auf mehreren Ebenen reflektiert werden. Nicht nur Chloé verläuft sich hoffnungslos in diesem kunstvoll arrangierten Spiegelsaal, in dem die Vergangenheit sich mit der Gegenwart mischt, in dem sich Geheimnisse Bahn brechen und die Leidenschaft nur eine Täuschung ist. Dass ihre Bauchschmerzen zurückkommen, das ist dann am Ende keine Überraschung mehr. Ebenso wenig der Grund. Denn irgendwann hat man durchschaut, welche Spiele Ozon mit seinen Figuren und seinem Publikum treibt. Das ist ein bisschen ernüchternd, aber quasi als Entschädigung gibt es eine äußerst kunstfertige Inszenierung, in der jedem Detail eine Bedeutung zukommt und in der sich zwei fantastische Hauptdarsteller in allen Belangen verausgaben.
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