Höllenqualen in Hollywood

Bernd Eichingers Witwe Katja hat eine ebenso bewegende wie ungemein unterhaltsame Biografie über den 2011 verstorbenen Produzenten, Autor und Regisseur verfasst
Volker Isfort |
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Er liebte Bücher über Alexander den Großen, Napoleon oder Reinhold Messner. Nach außen verkörperte er den Mann, der scheinbar ohne Selbstzweifel Millionenproduktionen stemmte und das deutsche Kino fast im Alleingang internationalisierte.

Aber den Menschen Bernd Eichinger haben nur wenige hinter dem Klischee kennen gelernt. Als der Produzent, Autor und Regisseur am 24. Januar 2011 beim Abendessen in einem Lokal in Los Angeles starb, bekam er in den Nachrufen die Würdigungen, die ihm viele zu Lebzeiten nicht geben wollten. „Es hätte ihn gefreut”, schreibt nun seine Witwe, die Filmjournalistin Katja Eichinger in ihrer Biografie „BE”. Es ist ein bewegendes und ungemein unterhaltsames Buch geworden, das Bernd Eichinger komplett ausleuchtet. Ohne Zweifel, die Lektüre des Buches hätte ihn gefreut.

Den Tiefpunkt seines Lebens hatte Eichinger schon früh hinter sich, die Internatszeit in Deggendorf, mehr Verwahrungsanstalt als Schule, hatte ihn stark traumatisiert – aber auch gestählt. Schlimmer konnte es nicht mehr werden, beschloss Eichinger. Vielleicht gab ihm dieser Gedanke auch die Kraft, den Wahnsinn durchzustehen, der sich später bei Projekten wie „Die unendliche Geschichte”, „Der Name der Rose” oder „Last Exit Brooklyn” wiederholen sollte. Immer hingen die Unternehmen am seidenen Faden, immer war die Constantin (oder er selbst) Millimeter vom Bankrott entfernt. Und immer nahm Eichinger den ganzen Druck auf sich und bewies, was Dino De Laurentiis ihm gesagt hatte: „Als Produzent brauchst du iron balls.”

In Deutschland fühlte er sich oft von der Kritik missverstanden, weil er doch immer das Publikum im Blick hatte. In Amerika aber litt Eichinger oft Höllenqualen, Tagebucheinträge aus seinen frühen Hollywoodjahren zeigen einen empfindsamen, einsamen Menschen schon im Anlauf zum Sprung aus dem Fenster, wie er einmal notierte.

Natürlich lebt ein Buch über das Filmgeschäft von Anekdoten. Das weiß auch Katja Eichinger. So streut sie hinreißende Geschichten ein: Eichinger, eigentlich auf der Suche nach Geld, der ein Screening von zehn Minuten „Unendliche Geschichte” abbricht, weil der Hollywood-Studioboss telefoniert; Eichinger in Unterhose beim Telefonat mit Tom Cruises Agentin, die ihm eine Million Dollar für „Hilfe” beim „Walküre”-Film zusagt, aber das Drehbuch nicht rausrücken will (Eichinger lehnte ab).

Er bleibt der Unangepasste, Getriebene, ewig Schlaflose, für den Film weniger Obsession als schlichtweg seine Ausdrucksform ist. Ohne einen Film vor Augen würde er sterben, sagt Eichinger und stürzt sich nach den mühsam erkämpften Erfolgen mit „Der Untergang” und „Der Baader Meinhof Komplex” (beide für den Oscar nominiert) in schwierigste Projekte. Er schreibt das Drehbuch zur Nibelungensage und kauft die Filmrechte an Natascha Kampuschs Schicksal. Zwei Wochenenden interviewte er sie und brauchte abends viele Martinis, um das Gehörte zu verarbeiten. Leicht gemacht hat es sich Eichinger nie. Und so ist dieses Buch über die Filmbranche auch eine Pflichtlektüre für alle, die am Bernd-Eichinger-Platz in der HFF die ersten Schritte in die Welt der Träume gehen, die doch vor allem eine Welt der geplatzten Illusionen ist.

Katja Echinger: „BE” (Hoffmann & Campe, 576 Seiten, 24.99 Euro)

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